Wie ärmlich sich die deutschen “Qualitäts-” und “Leitmedien” darstellen und selbst verstehen, haben sie gestern und heute erneut bewiesen: von der “BILD-Zeitung” liessen sie sich die Agenda diktieren und am Nasenring durch die Manege ziehen. Die Frage, was der zukünftige US-Präsident vorhat, ist natürlich relevant. Die Antwort hätten sie gestern billiger haben können. Gabriel Simon hat sie auf Telepolis beantwortet.
“America first” wird sich als Lüge erweisen. Trump symbolisiert den Abstieg der USA als Weltmacht. Das irritiert ihre engsten Bündnispartner in Europa schon lange. Diese Irritation nimmt zu. Geländegewinne im Welthandelskrieg gibt es für die Schwellenländer, Simon nennt namentlich die “BRICs” Brasilien, Russland, Indien, China, die einen Plan haben und ihn verhältnismässig stringent verfolgen.
Wer das genauer erklärt haben will, sollte sich das aktuelle Geschehen im globalen Fußballbusiness näher anschauen, Gunter Gebauer (FAZ) und Jens Weinreich (Sp-on) liefern dafür Hinweise.
Jetzt rächt sich die Ökonomie-Diktatur, die Wolfgang Schäuble in der EU errichtet hat, und die Bundeskanzlerin hat ihn das Unheil anrichten lassen, weil es und er zuhause so populär war. Es gibt keinen gemeinsamen Willen in der EU mehr, der das Vakuum und das Chaos, das Trump schaffen wird, mit Ordnung füllen kann, wie es sich mein früherer Studienkollege Josef Janning, ein Freund rationalen politischen Diskutierens, gestern im Deutschlandfunk gewünscht hat. Die einstigen Achsen, die es in der Regierungszeit Schröders und Fischers noch gab, sind zerstört. Einstige Partner und Freunde, wie Frankreich und Italien, sind zu Untergebenen geworden, und könnten bei ihren nächsten Wahlterminen zu Feinden werden. Sie sehen, was Deutschland mit Griechenland gemacht hat, das ist kein schöner Anblick.
Zu Schröders Zeiten wurde im Widerstand gegen den Irakkrieg sogar noch von einer “Achse Moskau-Berlin-Paris” fantasiert. Die Außenminister Villepin und Fischer (“I’m not convinced”) hatten spektakuläre Auftritte gegen George Bush, Schröder gewann damit seine letzte Bundestagswahl gegen Merkel. Das liegt jetzt alles in Trümmern. Jetzt avancieren Chinas Kommunisten zu Anwälten des Freihandels, und Russlands Führer Putin zum globalen Friedensunterhändler. Wir haben es ihnen geschenkt. Ob das eine gute Idee war? Wir werden es erfahren.
Die gefährlichen Fragen sind jetzt:
Wer macht was mit seinen Atomwaffen?
Was passiert, wenn Trumps Wähler merken, dass er sie betrogen hat?
Wird die wachsende globale Verantwortung China demokratisieren – oder das Gegenteil?
Was bleibt von der EU und der europäischen Friedensperiode übrig?
Die Frage “was wird aus Putin?” stellt sich vorläufig nicht. Für die russische Demokratie ist das bedauerlich. Hier dagegen sind nicht wenige froh darüber. Wir haben genug damit zu tun, unsere eigene Demokratie zu erhalten. Unser Exportmodell wird uns diese Arbeit nicht mehr lange abnehmen.
Update 22.1.: Zu letzten Gedanken auch Thomas Fricke auf Sp-on.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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