von Günter Bannas
Absagen, Gedenken – Schweigeminuten, die närrisch genannte „fünfte Jahreszeit“ des Jahres 2020 steht im Schatten des Unvorstellbaren: der Morde in Hanau, des Einbruchs eines Verbrechens, das einen am friedlich-fröhlichen Zusammenleben in Deutschland verzweifeln lässt. Das den fröhlich gestimmten Narren fragen lässt: Wie feiern? Oder: Jetzt erst recht?
Ein Verbrechen jedenfalls, das die politisch Verantwortlichen zum Verzicht zwingt – besonders jene, die dem Frohsinn zugeneigt sind. Auch ohne „Hanau“ wäre dieser Montag, der Rosenmontag, für manche von ihnen kein schöner Tag geworden. Für die karnevals-affine Annegret Kramp-Karrenbauer etwa, die sich um ein CDU-Desaster bei der Landtagswahl in Hamburg und auch um ihre Nachfolge zu kümmern haben wird. Auch für Norbert Walter-Borjans nicht, der früher als Finanzminister in Düsseldorf auf einem der Prunkwagen beim Rosenmontagszug durch Köln gefahren wurde und nun als SPD-Ko-Vorsitzender die Wahl zu kommentieren hat. Walter-Borjans im Clownskostüm käme da nicht gut an. Nun erst recht nicht.
Für Politiker*innen ist die närrische Zeit zum gefährlichen Pflaster geworden. Kramp-Karrenbauer trat einst als Putzfrau Gretel auf. Bis ins letzte Jahr hinein, als sie sich in einer Büttenrede über Latte-Macchiato-Männer, das dritte Geschlecht und passende Toiletten vergaloppierte. Es wuchs sich zur medialen Katastrophe aus. AKKs Schlussfolgerung: Keine Auftritte im Karneval mehr. Hat sie demnächst wieder Zeit dafür? Schlimm traf es auch Andrea Nahles – als sie noch SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende war. Nahles sang Karnevalslieder von vorgestern. Videos tauchten auf. Ihre innerparteilichen Gegner verbreiteten gemeinerweise, sie seien fassungslos gewesen.
Markus Söder, CSU-Chef, der sich früher im Fasching als Shrek oder als Mahatma Gandhi präsentierte, zog Konsequenzen. Neues Motto: Der Smoking ist das Kostüm eines Ministerpräsidenten. Und Angela Merkel? Wenn der organisierte Karneval bei ihr auftaucht, bleibt die Kanzlerin staatstragend. Die Närrinnen und Narren seien „für unsere Demokratie und unser Gemeinwesen unentbehrlich“. Mit ihnen zu schunkeln, ist Merkels Sache nicht. Und Armin Laschet, der als „Ritter wider den tierischen Ernst“ in Aachen wie ein Kanzlerkandidat gefeiert wurde? Nicht als Clown trat er auf, sondern im dunklen Anzug. Vorsorglich. Am Aschermittwoch ist alles vorbei?
Stimmt nicht.
Günter Bannas ist Kolumnist des HAUPTSTADTBRIEFS. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus “DER HAUPTSTADTBRIEF AM SONNTAG in der Berliner Morgenpost”, mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion.
Hören Sie zu “Nach Hanau” auch dieses Interview des DLF mit der Journalistin Ferda Ataman.
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