Zum dritten Mal war ich diese Saison beim Bonner SC, und zum dritten Mal habe ich es nicht bereut. 19 Tore in drei Spielen, da kann man sich als Zuschauer nicht beschweren.
Heute war Borussia Mönchengladbach II/U23 zu Gast, die bringen 0 Gästezuschauer mit; ihre Fans hatten ja gleichzeitig Heimspiel im Borussiapark. Das zeigt schon die DFB/DFL-fabrizierten Probleme dieser Liga. Die Traditionsvereine sind den Zweitmannschaften der Erstligisten finanziell um mehrere Klassen unterlegen, fungieren wettbewerbsverzerrend als deren Sparringspartner. Zwar sind die Erstligareservisten sportlich attraktive Gegner. Aber keiner will sie sehen, weil die bessere Ausgabe von ihnen gleichzeitig irgendwo, und im Zweifel immer im TV, spielt. Gleichzeitig werden alle Viertligisten mit teuren Lizenzauflagen malträtiert, die es ihnen zusätzlich unmöglich machen, jemals wieder eine Konkurrenzfähigkeit zu erkämpfen.
Beim heutigen Superspiel meldete der BSC 450 Zuschauer, bei einem 4:4 macht das 2 Tore pro 100 Zuschauer. Gibt es ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis?
Zum sportlichen Verlauf: in Selbstüberschätzung ihrer technischen und spielerischen Überlegenheit legten die Gladbacher zu Spielbeginn einen schlampig-pomadigen Auftritt in ihrer Defensive hin, so dass sie nach 5 Minuten schon 0:2 zurücklagen, das 2. Gegentor schossen sie faktisch selbst, auch wenn es dem Bonner Torschützen Kaiser verbucht wurde. Zu diesem Zeitpunkt, zumal der Aufstieg aus der Liga schon nicht mehr erreichbar ist, fehlte nicht viel, und die Mannschaft wäre auseinandergefallen. Gegenseitige Schuldzuweisungen und Meckereien zeugten nicht von gutem Mannschaftsgeist. Der BSC hatte weitere Superchancen und hätte schon früh den Sack zumachen können. Dass er stattdessen noch in der 1. Halbzeit den Anschlusstreffer zuliess, erleichterte Gästetrainer Ari van Lent die Pausen-Arbeit in der Kabine.
Ari van Lent war selbst als Spieler ein Aufreisser gegnerischer Abwehrreihen, im Stil eines Malochers. Das ist es, was Fans lieben und ins Herz schliessen. Einer der besten Fußballersprüche stammt ebenfalls von ihm: “Ich habe keine Spielerfrau, ich habe eine richtige Frau.”
Die ansehnliche 1. Halbzeit erfuhr eine noch unterhaltsamere Steigerung. Simakala, ein funkelnder 20-jähriger Diamant im Borussia-Kader, geboren in Eschweiler, seit 5 Jahren in den Jugendteams des VfL, gelang der 2:2-Ausgleich. Dass er sich wenig später in eine Rangelei einliess, war unreif und trug ihm unflätige Beschimpfungen der Bonner Hardcorefans ein, beeinträchtigte aber zum Glück kaum seine Leistung. Zunächst jedoch antwortete der BSC mit sauber gespielten Kontertoren zum 4:2: Musculus (51.) plus ein erzwungenes Eigentor der Gladbacher.
Was ich jedoch in den zuvor gesehenen Spielen (2:2 gegen BVB II und 2:5 gegen RWO) feststellen musste, wiederholte sich: der BSC spielt ansehnlichen, auch taktisch disziplinierten Fußball und gleicht nominelle Stärke der Gegner durch funktionierenden Teamgeist aus. Dennoch schafft er es bisher nicht, einen verdienten Vorsprung zu verteidigen.
So schafften die Gladbacher, was man sonnst nur vom Fußballkonzern aus dem süddeutschen Raum sieht: Anschlusstor (84.) und Ausgleich in der letzten Minute der Nachspielzeit (93.). Kompliment: in der 5. Minute glaubte ich noch, jetzt würden sie auseinanderfallen.
Das Bonner Coaching hat noch Luft nach oben: statt den Schiri zu bestürmen abzupfeifen, hätten sie sich besser um die Konzentration ihres Teams in den letzten Sekunden gekümmert.
Die Lautsprecheranlage im Sportpark Nord müsste mal neu eingepegelt werden; nicht alle Zuschauer sind schwerhörig. Sie übertönt spielend Laubsauger oder Flugzeuge.
Und dann fielen mir noch die “Auflaufkinder” des SV Niederbachem auf. Mein Gastautor Dieter Bott regt sich zurecht seit Jahren über diesen Kindesmissbrauch durch das Fussbballbusiness auf. Während des dramatischen Spiels wurden an die Kleinen Pommes verfüttert – so kann man die regionale sportliche Konkurrenz natürlich auch niederhalten. Die Kinder dankten es dem BSC mit einem Anfeuerungschor in den letzten Spielminuten – vergeblich.
Mike Feigenspan, Leistungsträger der Borussia U23 mit 13 Saisontoren und augenscheinlich schon ein Anfügrertyp, ist tatsächlich verwandt; mit “Ekko” Feigenspan, der noch für RW Essen spielte in deren 1. Bundesligasaison. Als Sturmspitze wurde der abgelöst von einem jungen Talent: Willi Lippens. Das war das Team meines Oppas, der schuld ist an meiner Fußballmacke. Den jungen Feigenspan, Großneffe des Alten, hat Andre Schubert von Kassel nach Mönchengladbach gelockt. Ich frage mich, was aus solchen Supertalenten in der 4. Liga werden soll. Denn in ihren Erstligateams werden die Premium-Planstellen ja auch schon von 17-19-jährigen belegt. Wie soll es mit der Karriere weitergehen? Das kann ein quälendes warten sein. Und Geduld ist beim Mannwerden nicht weit verbreitet.
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