Anscheinend unbeteiligt betrachtet Angela Merkel die Diadochenkämpfe in und zwischen den Unionsparteien. „Ich wollte, will und werde mich da heraushalten“, antwortete sie auf die Frage, ob sie befürchte, dass die Laschet-Söder-Auseinandersetzungen dazu führen könnten, dass CDU und CSU die Bundestagswahl und das Kanzleramt verlören.
In der Fraktionssitzung, in der der Streit ausgetragen wurde, studierte sie Akten und Smartphone-Mitteilungen. Das Wort ergriff sie nicht. Weder zugunsten Laschets, ihres Nachnachfolgers im CDU-Vorsitz, noch Söders, des CSU-Chefs. Ob sich daraus Präferenzen Merkels für den einen oder anderen ableiten lassen, ist eine Sache der Interpretation. Nahegelegen hätte es, dass sie „ihren“ Vorsitzenden unterstützt – so wie es Wolfgang Schäuble, der Elder Statesman der CDU, getan hat. Sollte ihr Schweigen Laschet helfen oder zweifelt sie an seinen Fähigkeiten? Hatte Söder ihre heimliche Unterstützung? Oder ist sie sogar der Auffassung, nach 16 Jahren CDU-Kanzlerschaft tue es allen gut, wenn eine andere Partei den Bundeskanzler stellt?
Zu den Umständen gehört es, dass Merkel Ende 2018 nicht etwa selbstbestimmt ihr Erbe regeln wollte, sondern anlassbezogen auf den CDU-Vorsitz verzichtete. Volker Kauder, als CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender ihre wichtigste Stütze, wurde gestürzt. Die hanebüchenen Entwicklungen um die Entlassung des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz waren noch frisch in Erinnerung.
Bei der Landtagswahl in Hessen verlor die einst stolze Landes-CDU elf Punkte und landete bei 27 Prozent. Merkels Verzicht auf das Parteiamt sollte sie vor weiterem Machtverlust bewahren und ihr die Kanzlerschaft retten.
Bei den Kampfabstimmungen um den CDU-Vorsitz gewannen zwar stets diejenigen, die Merkel politisch am nächsten standen. Doch der Rücktritt von Annegret Kramp-Karrenbauer hatte auch mit der Robustheit der Kanzlerin zu tun. Die Autorität Armin Laschets wurde – bei Anne Will – von Merkel untergraben. Beide schafften es nicht, sich von Merkel zu lösen, wie diese sich einst von Helmut Kohl emanzipiert hatte. Nun war es umgekehrt. Merkel emanzipierte sich von ihren Nachfolgern. Nutznießer wurde ausgerechnet Söder, einst ihr scharfer Gegner, der nach einer 180-Grad-Wende zu der Erkenntnis kam, nur mit Merkel-Politik ließen sich Merkel-Wähler bei der Union halten. Die CDU aber wird ohne „Mutti“ laufen lernen müssen.
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