Die Korruptionsfälle der vergangenen Monate haben etwas Gutes gehabt. CDU/CSU und SPD haben sich zusammengerauft und zwei Gesetzesvorhaben dazu auf den Weg gebracht: Erstens ein Lobbyregister und zweitens eine Verschärfung des Abgeordnetengesetzes. Beide Maßnahmen sind geeignet, die Transparenz bei der politischen Willensbildung zu zu verbessern.
Das Lobbyregister wurde am 25. März im Bundestag beschlossen. Es gilt für die Lobbyarbeit bei Abgeordneten, Fraktionen und Bundesregierung. Professionelle Interessenvertreter müssen sich künftig in ein Register eintragen und Angaben zu ihrem Arbeit- und Auftraggeber, zur Zahl der Beschäftigten und zu den finanziellen Aufwendungen machen. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 € und der Eintrag in eine schwarze Liste. Die Fraktionen hoffen, damit „deutlich mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Entstehung politischer Vorhaben zu erreichen.“
Auch die einschlägigen Organisationen wie LobbyControl und Abgeordnetenwatch begrüßen die Neuregelung als Beitrag zu klareren Regeln für den Lobbyismus und mehr Transparenz darüber, „wer in wessen Auftrag Einfluss auf die politische Willensbildung nimmt.“ Kritisiert werden die Ausnahmeregeln für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie für Kirchen, die Beschränkung der Vorgaben auf die höheren Ministerialebenen sowie der Umstand, dass einzelne Lobbykontakte nicht anzuzeigen sind. Bedauert wird vor allem, dass der sogenannte „legislative Fußabdruck“ nicht aufgenommen wurde. Dies hätte bedeutet, dass in Gesetzentwürfen diejenigen Lobbyisten und externen Berater zu nennen sind, die an der Erarbeitung beteiligt waren.
Das Gesetz zur Reform des Abgeordnetengesetzes wurde am 22. April gemeinsam von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken im Bundestag eingebracht. Danach sind Einkünfte aus Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen künftig schon dann betragsgenau anzeigepflichtig, wenn sie monatlich 1.000 € bzw. jährlich 3.000 € (bisher 10.000 €) überschreiten (Armin Laschet vertrat in einer Fernsehdiskussion am 2.6. sogar die Auffassung, dass eine Meldung bereits vom ersten Euro an erfolgen solle). Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften sind ab 5 % (bisher 25 %) sowie Aktienoptionen – unabhängig vom Wert – veröffentlichungspflichtig. Gescheitert ist die SPD mit dem Anliegen, pro Spende eine Höchstgrenze von 100.000 €/a und strengere Regeln für Sponsoring und Werbeeinnahmen einzuführen. Dies zeigt, dass mehr möglich gewesen wäre.
Einige Neuerungen sind erfreulich deutlich: Von Dritten bezahlte Lobbytätigkeit von Bundestagsabgeordneten wird gesetzlich verboten, Ehrenamtliche Tätigkeiten gegen angemessene Aufwandsentschädigung – etwa im Vorstand eines Vereins – bleiben zulässig. Honorare für Vorträge im Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit werden untersagt. Die Annahme von Geldspenden wird verboten. Verstoßen Abgeordnete gegen die genannten Regeln oder missbrauchen sie ihr Mandat zu geschäftlichen Zwecken, so sind diese Einnahmen an den Bundestag abzuführen. Zudem kann ein Ordnungsgeld bis zur Hälfte der jährlichen Aufwandsentschädigung verhängt werden.
Auch die Neufassung des Abgeordnetengesetzes erfährt Zustimmung. LobbyControl betont, dass große Lücken, die schon lange kritisiert und sogar vom Antikorruptionsgremium des Europarates beanstandet wurden, endlich geschlossen werden. Kritisiert wird, dass weiterhin die Bundestagsverwaltung für die Durchsetzung der Regeln zuständig ist und nicht eine mit mehr Kompetenzen ausgestattete unabhängige Stelle. Unzufriedenheit besteht auch mit der Änderung der Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung, die nach Ansicht der Kritiker (und auch der SPD) Gesetzeslücken aufweist.
Es ist gewiss hilfreich, dass künftig Lobbytätigkeiten von Abgeordneten verboten, Honorare für Insidervorträge untersagt, die Annahme von Geldspenden verboten und die Transparenz über Einkünfte aus Nebentätigkeiten und Unternehmensbeteiligungen gesteigert wurden. Dennoch bleibt die grundsätzliche Frage: Warum sollen Bundestagsabgeordnete überhaupt Nebentätigkeiten ausüben (dürfen)? Die Aufgabe als MdB ist ein Fulltime-Job und jede weitere Tätigkeit mindert die Vertretung des Interessen des Volkes, für die sie/er gewählt ist.
Bemerkenswert ist, dass zwei Drittel der Abgeordneten keinen Nebenjob haben. Warum haben anderseits Rechtsanwälte, Steuerberater, Verbandsfunktionäre und alle möglichen Berater/innen, die als einzige Qualifikation ihr Bundestagsmandat aufweisen können, hinreichend Zeit dafür? Und wie kann garantiert werden, dass es dabei nicht zu Interessenkonflikten mit dem Mandat kommt? Die Rechtslage lässt solche Tätigkeiten wohl zu, aber muss es dabei bleiben?
Warum können die Abgeordneten ihre Nebentätigkeiten nicht auf ehrenamtliche Tätigkeiten für gemeinnützige Zwecke oder öffentliche Belange beschränken? Ihre finanzielle Ausstattung müsste das eigentlich erlauben:
Abgeordnete erhalten monatlich 9.542 €, die zwar zu versteuern, aber frei von Sozialabgaben sind. Dazu kommt eine steuerfreie Pauschale von 4.318 € im Monat für Aufwendungen aufgrund des Bundestagsmandats. Der Verwendungszweck muss nicht gerechtfertigt werden. Für Büros und Geschäftsräume können die Abgeordneten weitere 12.000 €/m ausgeben. Auch hier haben sie einen weiten Entscheidungsspielraum. Zudem stehen 20.870 € monatlich zur Bezahlung von Mitarbeiter/innen zur Verfügung. Fraktionsvorsitzende, parlamentarische Geschäftsführer/innen und Ausschussvorsitzende erhalten Aufschläge von mehreren 1.000 €/ im Monat. Die großzügige Altersversorgung der Abgeordneten ist bekannt.
Da bietet es sich geradezu an, die Diäten anteilig zu kürzen oder ganz zu streichen, wenn Abgeordnete hohe Nebeneinkünfte beziehen. Eigentlich sollen die Diäten doch Einkommensnachteile ausgleichen, die aufgrund des Bundestagsmandats entstehen. Wenn dies nicht zutrifft, sollte derjenige, der unbedingt seinen Beruf weiter ausüben will oder muss, anerkennen, dass dies sein Engagement als MdB schmälert. Da wäre es logisch, auch die Entschädigung zu kürzen. Gewiss wird es hier Berechnungsprobleme geben, zum Beispiel bei Einkünften aus Vermögen oder aus Beteiligungen. Womöglich werden pfiffige Juristen bald Umgehungskonstruktionen erfinden. Dennoch lohnt es sich, diese Ziel anzugehen.
Unzulänglich sind offenbar auch die Maßnahmen, die gegen Abgeordnete ergriffen werden können, die gegen die Regeln des Abgeordnetengesetzes verstoßen. Bislang sind interne Ermahnungen, öffentliche Rügen und Ordnungsgelder bis zu 50 % der Jahresdiät zulässig. Die Entscheidungen liegen beim Bundestagspräsidenten. Man bleibt also unter sich, und spürbare Sanktionen sind äußerst selten. Ein Ordnungsgeld hat es erst in einem Fall gegeben. Auf einer anderen Ebene liegen Maßnahmen wegen einer Verletzung von Ordnung und Würde des Bundestages (Rügen, Rufe zur Sache, Wortentziehung und Ausschluss von den Beratungen). Sie haben nichts mit Nebenjobs zu tun.
Ein Mandatsentzug ist derzeit nur bei wenigen wichtigen Anlässen möglich (z.B. Ungültigkeit der Wahl), nicht aber bei Verstößen gegen das Abgeordnetengesetz, auch nicht bei schwerwiegenden Fällen wie Bestechlichkeit (§ 46 Bundeswahlgesetz) oder groben Verfehlungen wie Volksverhetzung. Bereits seit 2018 gibt es Überlegungen, dies zu ändern. Voraussetzung wäre wahrscheinlich eine Verfassungsänderung.
Auch ein Verlust des passiven Wahlrechts ist heute nur aus wenigen Gründen möglich, entweder automatisch aufgrund einer Mindeststrafe für ein Verbrechen oder aufgrund einer Gerichtsentscheidung wegen einer der in einer langen Liste genannten politischen Straftaten (siehe Wahlrechtslexikon). Auch hier drängt sich eine Änderung auf. Die Bestechlichkeit von Abgeordneten oder ein Betrug der Bundestagsverwaltung durch falsche Angaben oder Verschweigen sind einzubeziehen. Solche Handlungen sind besonders schwerwiegend, weil sie die Grundlagen unserer Demokratie beschädigen.
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