Protest gegen Rheinmetalls Kriegsgeschäfte

Am 10. Mai veranstaltete der Rheinmetall-Konzern seine Jahreshauptversammlung erneut in digitaler Form, was natürlich den Protest erschwert, da kein direkter Kontakt zu den Aktionär*innen der Blutaktien möglich wird. Dennoch hatten sich etwa 80 Personen versammelt, um vor der Konzernzentrale in Düsseldorf lautstark zu demonstrieren: „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt!“ so die Rufe der Demonstrierenden. Rheinmetall ist angesichts der Kriegshysterie im Aufwind. 142,9 Millionen Euro Dividenden werden ausgeschüttet, die Gewinnkalkulation nach oben geschoben, Geschäftsausweitungen anvisiert. Die Aktie ist seit Kriegsbeginn in der Ukraine um mehr als 100% gestiegen.

Die pax-christi-Gruppe Bonn hatte die Initiative für eine Protestaktion ergriffen. Zusammen mit dem Netzwerk Friedenskooperative und der DFG-VK wurde die Aktion vorbereitet. Die DFG-VK hatte eine Straßentheaterszene vorbereitet, in der der neue Geldsegen der Steuerzahlenden von Olaf Scholz an die Rüstungskonzerne, insbesondere Rheinmetall, ausgeschüttet wird. Von den 100 Milliarden „Sondervermögen“ will Rheinmetall 42 Milliarden mit schwerem Kriegsgerät bedienen. Auf der Protestaktion wurde statt einer massiven Aufrüstung eine Umrüstung der Bundeswehr – solange es noch eine Mehrheit für militärische statt zivile Verteidigung gebe – hin zu einer strikt defensiv und nicht interventionsfähigen Armee angemahnt. Dafür könnte der Rüstungshaushalt erheblich gekürzt werden.

Für die mitunterzeichnende Organisation ethecon – Stiftung Ethik und Ökonomie – sprach Monika Schnicke. Sie wies u.a. auf die illegalen Rüstungsgeschäfte via ausländischer Filialen hin: „Rheinmetall liefert auch illegal, so etwa nach Südafrika, Argentinien und Saudi-Arabien. Um seine Profite zu maximieren, verkauft Rheinmetall selbst in Krisen- oder Kriegsgebiete Waffen. So etwa in den Jemen, weshalb ein Bündnis von Organisationen aus Deutschland, Italien und dem Jemen in Rom offiziell Strafanzeige gegen Rheinmetall eingereicht hat. Exportverbote hebelt Rheinmetall systematisch aus. Z.B. auch indem der Konzern vor Ort Rüstungsfabriken baut und Panzer und Waffen von dort ausliefert. So etwa in der Türkei geplant. In diesem Fall sogar ungeachtet des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Türkei in Afrin (Nordsyrien).“

Auch die Waffenlieferungen von Rheinmetall an die Ukraine wurden kritisiert, da sie den Krieg nur verlängern und eskalieren helfen. Waffenlieferungen ermuntern, den Krieg weiterzuführen statt auf Waffenstillstand und Verhandlungen zu setzen. Joachim Schramm von der DFG-VK NRW machte deutlich: „Und jetzt will Rheinmetall auch an die Ukraine Waffen verkaufen. 88 gebrauchte Leopard 1-Panzer und 100 Marder-Schützenpanzer möchte der Rüstungskonzern gerne an das kriegführende Land liefern, Waffensysteme, die gebraucht zurückgegeben wurden, die nun also praktisch zum zweiten Mal verkauft werden sollen, zum zweiten Mal Profit bringen. Vorstandvorsitzender Herr Papperger ist also voll im Geschäft, was den Ukrainekrieg und die Zeitenwende angeht, voll im Geschäft mit dem Krieg. Doch wir sind hier, weil wir dazu nein sagen, wir sagen ‚Stoppt das Geschäft mit dem Krieg!‘“

Martin Köhler überbrachte ein Grußwort aus der italienischen Friedensbewegung, der es gelungen ist, erfolgreich gegen eine Waffenfabrik von Rheinmetall auf Sardinien zu klagen (vgl. Friedensforum 2/2022 „Schlechte Nachrichten für Rheinmetall“). Köhler führte aus: „… die italienische Zivilgesellschaft hat gegen Rheinmetall im November 2021 einen wichtigen Etappensieg errungen. Die Erweiterung der berüchtigten Bombenfabrik von „Rheinmetall Waffe Munition“ (RWM) bei Igelsias auf Sardinien ist vom italienischen Oberverwaltungsgericht endgültig abgelehnt worden. Die für den Ausbau der Bombenfabrik erteilte Genehmigung wurde für ungültig erklärt. Dies ist ein Riesenerfolg, auch und gerade für die langanhaltende, exzellente Kooperation von Friedensgruppen, Gewerkschaften und Umweltverbänden auf Sardinien. (…) Der Kampf der Bewegung gegen Rheinmetall auf Sardinien geht weiter. Der Erfolg hat das Bündnis gegen RWM bestärkt. Es fordert nun den Rückbau der schon existierenden Anlagen des nun als illegal befundenen Ausbaues der Bombenfabrik. Und das Ziel ist, den gesamten RWM-Komplex irgendwann dem regionalen Museum vergangener Umweltverbrechen hinzufügen zu können.“

Peter Bürger, freier Publizist aus Düsseldorf und in der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi beheimatet, wehrte sich in seiner Rede gegen die neuerliche Verunglimpfung von Pazifist*innen durch „Politiker*innen und Medien”. Statt der Präambel des Grundgesetzes treu zu bleiben, und „dem Frieden in der Welt zu dienen“ helfe Deutschland als hochrangiger Rüstungsexporteur, den Krieg in aller Welt zu verbreiten. „Kriege nützen nur den Reichen, die Armen stellen die Leichen!“ Es gelte, gegen die Todesindustrien aufzustehen. Abschließend zitierte er aus Dorothee Sölles Friedensbuch „Im Hause des Menschenfressers“ das Gedicht „Und wie sieht der Menschenfresser eigentlich aus?“. Sölle interpretiert hier ein Foto des Konzernvorstands von Rheinmetall, auf dem fünf Vorstandsmitglieder breit grinsend lange Waffengeschosse präsentieren.

Ein Vertreter der Antifaschistischen Koordination Kurdistan / Düsseldorf erinnerte an Rheinmetalls Waffengeschäfte mit der Türkei, die zu völkerrechtswidrigen Angriffen gegen Kurd*innen gebraucht werden. „Aber nicht nur in Europa herrscht Krieg. Seit Beginn des Jahres greift der türkische Präsident Erdoğan massiv immer wieder kurdische Gebiete in Nordostsyrien an. Am 18. April … startete das türkische Militär eine Offensive in Kurdistan-Irak und bombardierte mit Kampfjets, Hubschraubern und Drohnen Stellungen der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Auch türkische Bodentruppen sind in irakisches Gebiet eingedrungen.“

Armin Lauven – Anmelder der Kundgebung – trug ein Grußwort der Kritischen Aktionäre gegen Rheinmetall vor, die in einem Antrag an die HV die Nichtentlastung des Vorstands forderten, begründet vor allem mit den todbringenden Waffenexporten in verschiedene Kriegs- und Krisenregionen.

Auch in Berlin wurde am 10. Mai demonstriert. Etwa 50 Menschen nahmen an einer Kundgebung vor dem Sitz des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie teil, in dessen Vorstand wiederum Rheinmetall-Chef Papperber sitzt. Der militärisch-industrielle Politik-verwobenen Komplex ist unübersehbar. Ohne Schamfrist war der ehemalige Verteidigungsminister Franz-Josef Jung in den Aufsichtsrat von Rheinmetall gewechselt. Und Henning Otte, CDU-Vertreter im Verteidigungsausschuss, sitzt gleichzeitig im “Förderkreis Deutsches Heer“, der wiederum eng mit Rheinmetall verknüpft ist.

Martin Singe ist im Redaktionsteam des Friedensforums und Mitinitiator der Protestaktion „Rheinmetall entrüsten“. Er erlaubte uns die Vorabveröffentlichung an dieser Stelle.

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