Die SZ habe ich vor vielen Jahren abbestellt. Teuer war sie sowieso schon, zwar (zu) geringfügig linker, aber z.B. im Hauptstadtbüro in Bonn und Berlin immer viel schlechter als die FAZ. Als sie ihren kurzlebigen exzellenten NRW-Teil wieder einstellte, war das Mass voll. Online ähnelt sie eher einer boulevard-orientierten Regionalzeitung – schauen Sie sich nur die Ressortrubriken an: das Politikressort präsentiert auf der Startseite ganze zwei Texte; weniger als München, und “Bayern” läuft sogar als Extraressort; von dem ganzen Lebenshilfe- und Tratsch-Gedöns ganz zu schweigen. 50 € im Monat ist mir so ein Schrott jedenfalls nicht wert.
Also bewege ich mich zügig mittags zum Momo-Bistro, um dort vor den mehrstündigen Dauerleserinnen einen Blick in die Printausgabe zu werfen. Meistens bin ich nach 15-20 Minuten mit allem fertig. Heute war es anders.
Jemand hatte der SZ einen Karton aus dem Archiv des alten Nazis, ersten und langlebigsten Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Reinhard Gehlen vor die Tür gestellt. Uwe Ritzer und der wackere Willi Winkler haben es ausgewertet und daraus einen unterhaltsamen und lesenserwerten Text gebaut (Wochenendausgabe, “Zweites Buch”). Der Text wird leider online nur hinter Paywall angeboten und daher hier nicht verlinkt. Ich habe mich durch das unförmige Druckformat durchgekämpft und kann ihnen mitteilen: es war leider nichts mehr dabei, was ich nicht schon wusste.
Gehlen war ein paranoides rechtes Arschloch. Die Verfassung und Gesetze interessierten ihn nicht, vor allem dann nicht, wenn es gegen politische Kräfte ging, die er für Kommunisten oder Sozis hielt. Das hatte er gemeinsam mit den damaligen US-Regierungen und der Bundesregierung, insbesondere dem von seinem Bruder im Geiste Globke geführte Bundeskanzleramt. Eine Art “bester Freund” von ihm war der jahrzehntelange leitende Spiegel-Redakteur und Verlagsleiter Hans-Detlev Becker, dessen publizistische Spuren selbst heute, nach seinem Ableben, im langpraktizierten BND-Organ “Der Spiegel” politisch gut erkennbar sind. Er schützte den damaligen Herausgeber und damit auch die heutige Familie Augstein davor, dass sich in den Spiegel-Eigentumsverhältnissen noch schlimmer, als geschehen, Demokratie breitmachte. Diese Sachverhalte sind keine neuen Erkenntnisse, sie waren mir schon seit den 70er Jahren bekannt, als Leser der Zeitschrift “Konkret“, herausgegeben vom gefeuerten Spiegel-Redakteur Hermann L. Gremliza.
Ritzer und Winkler schreiben konziliant, der Spiegel bemühe sich seit Jahren “vergeblich” um Einsicht in den Gehlen-Nachlass. Mir ist nur bekannt, dass der Spiegel es mit der fälligen Aufarbeitung seiner eigenen Nazi-Kontinuitäten bis heute nicht sehr eilig hat.
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