Beispiele zur Distanz des Politmedien-Karussells von der Gesellschaft
In Bitterfeld war ich in meinem Leben ein einziges Mal – durchgefahren. Am Bahnhof öffnete ich das Abteilfenster und blickte raus. Alle meine Vorurteile bestätigten sich optisch. Ein Privatbahnveranstalter bediente damals die Strecke Berlin-Köln auf Nebenstrecken durch Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Hessen, in denen ich im Leben nie war und nie wieder hinkommen werde. Über Siegburg gelangte ich wieder nachhause.
Heute morgen hörte ich wie so oft das exzellente DLF-Wochenendjournal, heute vom Sachsen-Anhalt-Korrespondenten des DLF Niklas Ottersbach: “Weg vom Giftmüll-Image: Umbruch in Bitterfeld-Wolfen – Schmutzig und entvölkert: So präsentierte sich Bitterfeld-Wolfen in den 1990ern. Nach dem Zusammenbruch der Braunkohle- und Chemie-Industrie zog es viele Bewohner in den Westen. Doch seit einigen Jahren erwacht die Stadt zu neuem Leben.” (Audio 50 min) Das war mal wieder Journalismus, für den ich gerne zahle, eine Visitenkarte öffentlicher Medien, nah an gesellschaftlicher Wirklichkeit. Was selten ist, ist wertvoll. Und weit eindrucksvoller als das, was ich vom Zug aus gesehen habe.
FR-Kulturressort kann “es” noch
Shimon Stein, Ex-Botschafter Israels in Deutschland, und Moshe Zimmermann, Professor in Jerusalem, machen in der FR anhand diverser Studien auf die wachsende Distanz zwischen Politik und Staatsräson einerseits, und der real exitierenden Gesellschaft andererseits aufmerksam. Eine Falle, in die die blinde offiziöse Antisemitismusbekämpfung beider Länder geradewegs hineinrennt.
An gleicher Stelle findet sich eine Richtigstellung von Professor Heiner Roetz, einem geborenen Sauerländer und heutigen China-Experten an der RUB Bochum: “Nach dem Holocaust: Die Last den anderen aufbürden – Die deutsch-israelische Freundschaft ist angespannt. Die unappetitlichen Seiten der deutschen Solidarität mit Israel.”
Fabio de Masi als Medienexperte
Die Mühen der Ebene sehen anders aus als diese seltenen Perlen deutschen Mediengeschehens. Über sie schreibt zu meiner Überraschung kompetent und erfahren der eher als Finanzexperte bekannte Ex-MdB der Linken Fabio de Masi in der Berliner Zeitung: “Die gefährliche Nähe zwischen Politik und Medien: Parteienfilz im Rundfunk? – Beim NDR war es so, auch bei vielen anderen Medien kann man dies beobachten: eine enge Verbindung zur Politik. Es wird Zeit, dass sich der Journalismus unabhängig macht.” De Masis Darstellung ist voll auf Ballhöhe, und ich stimme ihm in allen Punkten zu.
Seine Sachkunde erkläre ich mir so. Seine fachlich exzellente Parlamentsarbeit wusste er – ein seltenes Zusammentreffen bei Politikern – mit professioneller Medienarbeit zu verbinden. So bekam er tiefere Einblicke in die Praxis, von denen er letztendlich auch selbst profitierte. Mutmasslich war sein weiser Entschluss auszusteigen von ebendiesen Einblicken geprägt.
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