Trotz des Todes von Günther Grotkamp (96) – Döpfner muss ihm auf ewig dankbar sein

Sollte es im Folgenden emotional und unfair werden, bitte ich vorweg um Entschuldigung. Es liegt u.a. daran, dass ich mit der WAZ lesen gelernt habe (Druckbuchstaben; Schreibschrift gabs bei “Lurchi, dem Salamander”, auch schon pleite). Mit den Sportteilen fing es an, die den Springermedien an Qualität überlegen waren. Ressortschefs Wilhelm Herbert Koch (auch Erfinder von “Kumpel Anton” – “Anton, sachte Czerwinski für mich …”) und Hans-Josef Justen.

Siegfried Maruhn war Chefredakteur und Achim Melchers sein Stellvertreter. Die Kanalarbeiter in der NRW-SPD konnten sich immer auf diese Leute verlassen, wie auch auf ihre Genossen (Frauen dabei?) im WDR. So hätte es immer weitergehen können. Tat es aber nicht.

Die WAZ als SPD-Blatt war schon immer ein Irrglaube, Wahrheitsgehalt 50%. Das war der Konzernanteil der Familie Brost, für die phasenweise Bodo Hombach persönlich ihr Geld ausgeben durfte – sein grösstes Talent. Die andere Hälfte gehörte der Funke-Familie, für die Günther Grotkamp die Geschäfte führte. Grotkamp spARTE immer an den Personalkosten, und gab das Geld für massenhafte, teilweise überteuerte Zukäufe aus. Als Anneliese Brost starb, kaufte er die Erbengemeinschaft aus dem Verlag raus. Und als Springer unrentabel-lästige Druckwerke loswerden sollte, kaufte er sie ebenfalls.

Grotkamp machte mit diesem Altersstarrsinn nur das, was sich jahrzehntelang bewährt, und den WAZ-Konzern zu einem Pressemonopol gemacht hatte. Konkurrenz entweder sofort töten – und wenn das nicht geht, aufkaufen. Der NRW-Teil der SZ wurde getötet (2003), NRZ und Westfälische Rundschau (ehem. SPD-Eigentum) wurden gefressen. Immer mit anschliessenden Rationalisierungswellen. Im Ruhrgebiet galt in jeder Stadt, dass der WAZ-Lokalteil der langweiligste und schlechteste war. Bis er der Einzige wurde. Dann konnte alles so bleiben.

Grotkamp wurde so ein reicher und mächtiger Mann. Und seine Familienmitglieder (Frauen mitgemeint) auch. Seine Stieftochter Julia Becker hat jetzt im Konzern den Hut auf. Sie macht bessere Schlagzeilen als er, ist insbesondere mit Mathias Döpfner (Springer) weit weniger befreundet, als ihr Stiefvater. Das zeugt einerseits von Ich-Stärke, eine notwendige Bedingung, um unter so einem Elternteil auf die Beine zu kommen. Andererseits fehlt noch die Unterlegung solcher Schlagzeilen durch verlegerisches Handeln. Es kann nur besser werden.

Wenn Sie nun meinen, ich meine, dass diese Geschichte von Individuen gemacht wurde und wird, ist das einerseits richtig. Aber nicht die ganze Wahrheit. Grotkamp war nicht das Böse. Er hat nur schneller gedacht und gehandelt, als seine Konkurrenten. Die Welt wird durch seinen Tod nicht besser. Noch nicht einmal die NRW-Medienwelt. It’s the economy, stupid!

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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