…und dann auch noch dumm gelaufen.
Dass das Verfahren um das umstrittene Heizungsgesetz schief laufen könnte, hätten alle Initiatoren und die Beteiligten in der Koalition wissen müssen. Die Einbringung eines Gesetzes mit 96 Seiten Änderungen zum alten, durchgestochenen Referentenentwurf, die Terminierung einer Anhörung innerhalb einer Woche und die Ausschußberatung innerhalb einer weiteren Woche bis zur Verabschiedung am 7.7. 2023 nebst Behandlung im Bundesrat – das ist kein demokratisches Verfahren, das eines Parlaments würdig ist. Bekannt sind solche Hau-Ruck-Gesetzgebungen allenfalls aus den Antiterrorgesetzgebungen der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Bürgerrechtsorganisationen nannten das damals “Gesetzgebung im Belagerungszustand” zum Schaden der Demokratie.
Das “Kontaktsperregesetz” wurde 1977 in ähnlicher Art und Weise durch den Deutschen Bundestag gepeitscht, weil sich die Bundesregierung durch die Terrorakte der Rote Armee Fraktion (RAF) und die damalige CDU/CSU-Opposition unter Handlungsdruck gesetzt fühlte. Damals entstand gesetzgeberischer Mist, der zwischen 1980 und 1982 korrigiert werden musste. Die gleiche Gefahr läuft das “umstrittene Heizungsgesetz” der Ampelregierung, ohne dass es wie damals eine von den Regierenden subjektiv empfundene Bedrohung des Staates durch Terroristen gäbe. Es gibt nur diese skandalös-dreiste Opposition von CDU/CSU, die nach 16 Jahren Untätigkeit im Klimaschutz und der Gebäudeinnovation nun versucht, noch mehr Chaos anzurichten. Um das, wofür sie bereits durch Untätigkeit im Gebäudebereich verantwortlich sind, heute zu vertuschen. Und eine AfD, die aus Klimaleugnern besteht, die überhaupt nichts zur Lösung der Klimaprobleme beitragen können und wollen.
Selbstorganisierte, unnötige Niederlage
Was hat Habeck, die Koalitionsfraktionen und ihre Spitzen also geritten, dieses politisch hoch umstrittene Gesetz, das nach dem Debakel der öffentlichen gegenseitigen Demontage der Koalitionspartner sowieso der Bevölkerung und demokratischen Öffentlichkeit besser in homöopathischen Einzeldosen mit guten Erklärungen und plastischen Erzählungen nahe gebracht werden muss, im Eilverfahren durchs Parlament zu peitschen und sich dadurch wieder angreifbar zu machen? Ist sich die Koalition ihrer Argumente so unsicher? Die inhaltlichen Einwände der CDU/CSU sind doch ohnehin nur Müll und ignorante Propaganda gegen einen wirkungsvollen Klimaschutz. Was aber diese Koalition bei der linksliberalen Öffentlichkeit, ihrer politischen Basis bis weit in die politische Mitte Zustimmung kostet und Kopfschütteln bereitet, sind Schwachstellen wie dieses parlamentarische Schnellverfahren. Niemand kann bisher erklären, wieso das Gesetz nicht zum 1.1.2024 in Kraft treten kann, wenn es in 2./3. Lesung erst Ende Juli, im August oder Anfang September beschlossen wird und alle möglichen Bedenken auch professioneller Bedenkenträger gelassen und solide ausgeräumt werden.
Ein CDU-Abgeordneter als völlig unverdienter Held
Wer zum Teufel berät die Regierungsfraktionen, haben sie kein Justitiariat? Als ehemaliger Koordinator des AK 3 “Recht und Gesellschaft” der 1. und 2. Grünen Bundestagsfraktion 1983-1990 hätte ich meine Fraktion vor dem Verfahren gewarnt und unsere Justitiar*innen hätte vermutlich genau dieses Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesagt. Man muss keine Juristin sein, um zu wissen, dass Schnellverfahren immer demokratisch grenzwertig sind und in der Öffentlichkeit nicht positiv konnotiert werden. Die Jurist*innen der Fraktionen, die Pressesprecher*innen, die Vorstandsreferent*innen – sie haben entweder versagt oder nicht genügend “Arsch in der Hose”, um ihre Chef*innen auf diese politischen Fallen hinzuweisen. Eine Loose-Loose-Situation also – aber wie kann man sowas politisch freiwillig herbeiführen? Diese Regierung läuft Gefahr, dass immer mehr Menschen zum Schluss kommen, dass “sie es eben nicht können”. Wenn sich das nicht drastisch und unverzüglich ändert, ist das Desaster der Koalition, insbesondere aber der Grünen, nicht mehr umkehrbar.
Grüne Grundsätze den Bach ‘runter?
Transparenz, Sorgfalt in der Gesetzgebung, Klarheit über die Ziele, demokratischer Diskurs, Teilhabe der Betroffenen, sich einbringen der Basis, Anhörung alternativer wissenschaftlicher Ansätze, verständliche Vermittlung des politisch Notwendigen, Offenheit für Vorschläge von Bürger*innen – und vieles mehr waren einmal GRÜNE Grundsätze, die die POLITIKMETHODE, nicht allein die inhaltlichen Ziele von den anderen Parteien unterschieden. Erinnert sich in der derzeitigen Bundesregierung oder in der Grünen Bundestagsfraktion jemand daran?
@rolandappel wie wäre es damit, mal die vielen Seiten Änderungsantrag anzuschauen, bevor hier rumgepöpelt wird? Das ist eine Synopse, d.h. da steht zum Großteil schon längst bekanntes drin. #heizungsgesetz
Wer genau “pöpelt” hier? Doch nicht etwa das Bundesverfassungsgericht?
Mir persönlich sind die Grünen (obwohl ich sicher eine tiefe Affinität hege) in dieser Zeit als Mitverantwortliche in der Regierungskoalition sehr farblos erschienen. Bei die Außenpolitik habe ich ein Problem, aber Habeck hat aus voller Kraft agiert und Fehler gemacht, zu denen er auch steht.
Leider kam es bei seinem zentralen Thema zu einer Unzahl von merkwürdigen Ungeschicklichkeiten, die hätten nicht sein müssen. Bei einem Blick darauf, was er (wahrscheinlich teilweise mit einem leichten Würgreiz) realpolitische geleistet hat (Gaskrise verhindert, Inflation abgemildert, Wirtschaft gestärkt), dann sind das Leistungen, die weder die SPD, FDP und schon gar nicht die CDU/CSU sozialverträglich hinbekommen hätten.
Bei aller Kritik, die auf die Grünen herabträufelt, wäre es einen Blick wert, was Habeck geleistet hat und die Fehler im Rahmen seines Arbeitsvolumens zu sehen – da kann tatsächlich was daneben gehen.
Bei der Frage zur Ukraine und der Außenpolitik empfinde ich die Grünen als Zumutung, weil sie durchweg ihre Grundsätze – aufgrund realpolitischer Verantwortung – komplett verraten haben.
Wen soll ich wählen, wäre am Sonntag Wahl? Habeck – mit allen Fehlern – uneingeschränkt: Ja – Die Grünen? Beratet mich….
Bis zur nächsten Gelegenheit ist ja noch etwas Bedenkzeit (9. Juni 24, EU-Wahl).
Bis zur nächsten Gelegenheit ist ja noch etwas Bedenkzeit (9. Juni 24, EU-Wahl).