Der BVB und die Hochbegabten (Fussball der Herren)
Dazu zunächst ein Seitenblick auf den Frauenfussball. In England, Frankreich und Spanien haben es die global orientierten Spitzenvereine mit einer gewissen Spätzündung verstanden, und investieren. Die europäische Champions League beherrschen sie in beiden Genders. Deutschland ist dagegen ein Spätentwickler. Erst vor wenigen Jahren frass Eintracht Frankfurt den 1. FFC Frankfurt und war – pardauz – mit dem Einstieg sofort Erstligist – und ernsthafte Konkurrenz für die Konzerne aus dem süddeutschen Raum und an dem niedersächsischen Hauptbahnhof, an dem die ICEs immer vergessen anzuhalten. Ganz anders die “Strategie” des Fussballkonzerns aus dem westfälischen Raum.
Die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA liess ihre Frauen und Mädchen ganz unten anfangen. Die PR-Abteilung strickt erfolgreich daran, das als Emanzipationsgeschichte zu verkaufen. Damit ist nachgewiesen: die können PR – wenn sie wollen. Und gleichzeitig ist das natürlich billiger. Der Bonner SC hatte in den 10er Jahren eine Chance, wie die in Frankfurt: er hätte “nur” den Erstligisten SC 07 Bad Neuenahr, bei dem noch die aus Bonn stammende Spitzenspielerin Célia Šašić kickte, vor der Insolvenz (2013) retten müssen. Das war die Chance, zumindest bei Mädchen und Frauen dem FC Köln in der Region den Rang abzulaufen. Aber für Bonner*innen wäre das zu hastig gewesen – wenn die Welt untergeht, geht sie hier 50 Jahre später unter.
Nun zu den Jungs
Zurück zum BVB, und nun zu den Jungs. Da will der BVB um jeden Preis bei den Grossen mitspielen. Wenn mal eine weltweite Super-League kommt, müssen aus dem kaufkraftstarken Zwergstaat Deutschland mindestens zwei mitspielen. Wie nun die Fifa-Club-WM – als bewusst gesetztes Konkurrenzunternehmen – nächstes Jahr in den USA zeigen wird: sportliche Zufälle müssen ausgeschlossen werden. Also ist der Fussballkonzern aus dem westfälischen Raum dabei, auch wenn er letzte Saison nur Fünfter war.
Wer so die Backen und prall gefüllten Brieftaschen aufbläst, ist für gierige Spielerberater, Spielereltern und Spielerfrauen (und Cousins und Cousinen, Onkel und Tanten) ein leichtes Opfer. Die wissen, dass der Organismus eines Fussballkonzerns den Prinzipien eines “FC Hollywood” gehorcht. Es gibt immer an irgendeiner Stelle ansprechbare mächtige Intrigant*inn*en. Die Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA hat das in der diesjährigen Saisonzwischenzeit einmal im Expresstempo komplett nachgespielt.
Marco Reus, 12 Jahre lang leitender Angestellter der fussballspielenden Konzernabteilung, macht sich aktuell nach Los Angeles auf, um sich dort um seine und seiner Angehörigen Altersversorgung zu kümmern. Er war in Körne, Wickede und Asseln aufgewachsen, hat sogar 10 Jahre in der BVB-Jugend gespielt. Was musste noch passieren, damit er “entdeckt” wurde? 2009 ging er zu Borussia Mönchengladebach, wurde unter Lucien Favre, dem später beim BVB vom Hof gejagten Talentförderer, zum Nationalspieler, und hatte hier seine fussballerisch besten Zeiten. 2012 holte der BVB ihn für gutes Geld (17 Mio. €, heutzutage eine lächerliche Summe) nach Dortmund zurück. 2014 bemerkten die Herrschaften durch eine Polizeikontrolle, dass der Gute als Besitzer und Fahrer fussballerüblicher Boliden gar keinen Führerschein hatte. Ob er medizinisch immer optimal behandelt wurde? Da wurde vielleicht am falschen Ende gespart. Nehmen Sie das als Zeichen: der Mensch, seine Probleme und Bedürfnisse, interessieren das Buzzyness nicht. Er ist eine Human Ressource, ein Berechnungsfaktor für die Kapitalanlage.
Das wissen selbstverständlich auch 16-18-jährige Fussball-Hochbegabte, ihre Eltern, Geschwister, Cousins und Cousinen, Onkel und Tanten. Die sind ja nicht blöd. Und die gierigen Beratungskonzerne, die sich ihnen andienen und Flöhe ins Ohr setzen, als wollten sie Insekten vor dem Aussterben bewahren, wissen, dass die das wissen. Diese Beratungskonzerne kassieren bei jedem Vertragsabschluss Provisionen, und davon viel. Jeder Vereinswechsel ist ein neuer Vertragsabschluss – Sie verstehen?
Herr Brunner u.a. sollten sich weniger benutzen lassen und autonom orientieren
Nun also Paris Brunner. Auf mich wird der Spieler selbstverständlich nicht hören. Mein Tipp an ihn wäre, sich mal die Karrieren von Samed Yesil, U17-WM-Dritter und U17-EM-Vizemeister, oder Gerard Deulofeu, U19-Europameister und bester Spieler des Turniers, anzusehen. Der damalige Empfänger von Deulofeus Flanken, Álvaro Morata, wurde vor wenigen Wochen Europameister. Ich habe beide gesehen, als Eurosport noch kostenlos frei zugänglich war, und entsprechende Jugendturniere live sendete. Was die beiden Jungs spielten, war zauberhaft. Ihre Karriere wurde es nicht. Sie waren nur Material und sind heute weitgehend vergessen.
Ich benenne die beiden nur, weil ich mich zufällig an sie genau erinnern kann. 95-98% aller Fussballtalente ergeht es nicht so ähnlich, sondern viel beschissener. Sie werden achtlos ausgegrenzt und behandelt, als seien sie minderwertig. Mit den psychischen Schäden dürfen sich dann Eltern, Gattinnen und Kinder – und wenn sie Glück haben: Krankenversicherungen – beschäftigen.
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