Die „Rheinische Post“ aus Düsseldorf hat vor einiger Zeit den „Kölner Wahlzettel“ abgedruckt – dreimal SPD, Lukas Podolski, Kardinal Woelki, Geißbock Hennes VIII, Tünnes und Schäl und so weiter… Wer kann schönere Geschichten schreiben, als das Leben selbst? Man weiss nicht, wer auf die Idee kam, die Parteinamen so groß zu drucken, aber eigentlich wird so etwas immer gegengelesen. Als „TAZ“, die „Schnüss“ oder „Kölner Illustrierte“ noch jung waren, hieß es oft bei eingefügten Bemerkungen (die Säzzerin) – heute würde man erstmal dem Publikum erklären müssen, was dieser Beruf mit Druckerzeugnissen zu tun hat. Jedenfalls passt die gestern spätabends beschlossene Verschiebung der Wahl wie die Faust aufs Auge zu den Assoziazionen, die der langjährige Beobachter mit Politik in Köln verbindet:
Eine Verwaltung, die oft keine Ahnung hat oder macht, was sie will, egal wer gerade regiert oder koaliert und eine Stadt mit zweitklassigen Akteuren, die vor allem klüngeln. Namen und Begriffe wie Rüther, Heugel, Bietmann, Ruschmeier, Esch-Fonds, Sal.Oppenheim, U-Bahntunnel, Stadtarchiv, Opernhaus-Baustelle, Mediapark, Filmpark Ossendorf, technisches Rathaus, Messehallen, Stimmenauszählung Rodenkirchen – sie sprudeln geradezu aus der Erinnerung und verbinden sich zu einem schönen Gesamtbild. Wann auch immer die nächste OB-Wahl stattfinden wird, fast alle Kandidaten sind beschädigt, allen voran Jochen Ott, der erklären kann, was er will, der Verdacht, dass die riesige SPD vor dem Kreuzchen ihn bevorteilen wollte, wird zäh an ihm kleben bleiben. Nicht zuletzt aufgrund der grenzwertigen Briefwahlwerbung, mit der die SPD den Eindruck erweckte, es handle sich um eine offizielle Aktion der Stadt Köln. Und die Kandidatin Reker wird im Falle eines Sieges immer mit dem Geruch leben müssen, dass sie ihren Erfolg vor allem auch der Stimmzettelaffaire zu verdanken habe.
Satire pur
Die ganze Affaire ist DER PARTEI satirisch auf den Leib geschrieben, steht für alles, was die Satiriker mit ihrer Kandidatur vergackeiern wollen. In Köln haben sie es nicht nur auf den zweiten Platz auf dem Stimmzettel geschafft, weil Frau Rekers Unterstützer sich schon vor der Wahl nicht einmal darauf einigen konnten, wer von ihnen wann aufs Amt geht und die Unterschriften einreicht. Die Satiriker genießen derzeit eine Popularität, die ihnen keine Wahlwerbung hätte verschaffen können. Aber mal Spaß beiseite: Satire ist diese ganze OB-Wahl doch von Anfang an und von hinten bis vorne. Da kandidiert für die SPD ein schnöseliger Grünschnabel, weil sein Kumpel und eigentlicher SPD-Macht-innehaber Martin Börschel sich nicht entscheiden kann, ob er seine Parteikarriere in Düsseldorf oder in Köln fortsetzen soll.
Wasser auf allen Schultern
Da stellen die Grünen, die in der Stadt regelmäßig mehr als 25% bei Wahlen einfahren, keinen eigenen Kandidaten auf und unterstützen die blasse Kandidatin Reker gemeinsam mit CDU und FDP, während sie im Stadtrat mit der SPD zusammenarbeiten: Und das, obwohl man mit Volker Beck einen hervorragenden Kandidaten aufstellen könnte, der gute Chancen hätte, wirklich schwuler OB der soziokulturell buntesten Stadt Deutschlands zu werden. Ein politischer Selbstmord ersten Ranges! Die CDU wiederum schaffte es schon lange vor der Wahl, ihre potenziell beste Kandidatin Andrea Verpoorten, mithilfe alter Seilschaften der Partei aus der Stadt zu vergraulen.
Noch ein Trick
Und nun soll der Termin einfach um ein paar Wochen verlegt werden und so das Verfahren heilen? Was ist mit der Chancengleichheit für Einzelkandidaten, die bis zum Wahltag ihr Budget ausgeschöpft haben, sich Anzeigen oder Plakate schlicht nicht mehr leisten können? Was ist mit denen, die sich für den Wahlkampf Urlaub genommen hatten und nun – wie Frau Reker – vielleicht in ein öffentliches Amt zurückkehren müssen, aus dem heraus sie keinen Wahlkampf machen dürfen? Die Sorge, dass eine OB-lose Stadt Köln ohne Verwaltungsspitze sich verselbständigen könnte, ist sicher von allen Fragen die geringstwichtige. Können und vor allem wollen wirklich alle ernsthaft einfach so weiter machen: Augen zu und durch?“ Sollten unter diesen Umständen nicht noch einmal alle überlegen, ob es nicht besser wäre, wenn alle Uhren auf Null gestellt würden, um nach neuen, von Affairen, Verstrickungen und Ämtern unbelasteten Kandidatinnen und Kandidaten zu suchen?
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