Weniger borniert als in Bonn

Die bundesweite Handelslobby hat uns untersuchen lassen

In unserer kleinen Stadt lieben es die CDU und wenige aber laute Vertreter*innen des lokalen Einzelhandels, einen Religionskrieg für das Auto zu führen. Bekanntlich würde Deutschland ohne das Verbrennerauto untergehen. Und Bonn (und Beuel) sowieso. Mir war schon immer klar, dass die Mehrheit der Bevölkerung (also der Kund*inn*en) da ganz anderer Meinung ist. Die Mehrheit allerdings will sich und ihre Bedürfnisse auch vertreten sehen. Das hat jetzt sogar die deutsche Handelslobby herausfinden lassen.

Die CIMA Beratung + Management GmbH hat nämlich im Auftrag so solventer Auftragsgeber*innen, wie dem Handesverband Deutschland (HDE), der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing (bcsd), dem Dehoga-Bundesverband (Hotels und Gaststätten), sowie den Konzernen Ebay, Lidl und Edeka, u.a. folgendes herausgefunden.

Die Studie behauptet (und belegt): “Einzelhandel nach wie vor zentraler Anker der City” (für 70,8% Zweck des Innenstadtbesuchs). Erkenntnisfördernder Hinweis: das ist der Ist-Zustand. So wird es nicht bleiben. Je jünger die Befragten, umso mehr wollen sie in der City “Leute treffen, durch die Stadt bummeln (Plätze und Stadt geniessen)” (58% der 15-19-jährigen, 48% der 20-29-jährigen, 51% der 30-39-jährigen).

36,1% folgen für den “gezielten Besuch der Innenstadt … persönlichen Empfehlungen” aus Freundes- und Bekanntenkreis – der Mensch ist also führend. Doch schon auf den nächsten Plätzen bei dieser Frage folgen “Social Media Kanäle” (30,1%), Onlineshops lokaler Geschäfte (28,5%), “Social Media Kanäle” der Stadt (27,6%). D.h.: wer digital nicht existiert, existiert kaum noch.

Bei Urlaubsreisen dagegen sind entscheidend: Gastronomie und Cafés (89,1%), Aufenthaltsqualität und Stadtbild (83,1%).

Die meisten kommen mit dem Fahrrad!

Und Überraschung: die einfache Mehrheit der Innenstadtbesucher*innen kommt jetzt bereits mit dem Fahrrad (35%), mehr als mit dem PKW (29.8%). Rechnen wir den ÖPNV (22,9%) und die Fussgänger*innen (7,5%) hinzu, hat die umweltfreundliche Bewegung längst eine glasklare Mehrheit. Folgerichtig verlangen die meisten (69,7%): “bessere Fußwege, Fußgängerfreundlichkeit”. Da bin ich dabei. Als Grund keine Einkäufe zu tätigen, geben lediglich 11% “schlechte Parkplatzsituation” an (in Grossstädten sogar nur 8,5%). Da ist also noch viel Luft nach oben 😉 37,5% ist es dagegen “zu überfüllt” – mir auch, immer dann, wenn die Eventisierung mal wieder zuschlägt.

Bemerkenswert ein Fazit der Studienmacher*innen, das einigen lautstarken Propagandisten in CDU und Einzelhandel ans Herz zu legen ist: “Abschied vom Karossen-Kulturkampf … ‘Entschleunigung’ der Innenstadt” (s. 42).

Klare Mehrheiten von über 60% hat eine klimagerechte stärkere Begrünung der Innenstädte.

Also Frau Dörner, Herr Wiesner und Stadtrat: Mund abputzen, weitermachen! Wobei: das Bessere ist immer der Feind des Guten.

Die Gesamtstudie der CIMA ist dort herunterladbar, jedoch nicht wie behauptet “kostenlos”, sondern durch Zahlung mit den eigenen persönlichen Daten.