Das größte IT-Projekt der Bundesrepublik nimmt endlich Fahrt auf und es ist enorm, was die Experten der Gematik innerhalb nur weniger Tage auf die Beine gestellt haben! Unser Bundesgesundheitsminister, der kürzlich noch Bedenken hatte, gibt grünes Licht! Alle Sicherheitslücken, die der ChaosComputerClub (CCC) und andere Experten äußerten, konnten – so gut es in der Kürze der Zeit möglich war – wenn schon nicht vollständig behoben, so zumindest etwas entschärft werden.
Der Digitalbeirat der Gematik hat die Entwicklungen rund um die Sicherheit im Blick und legt Maßstäbe an, die einerseits die Datensicherheit und den Datenschutz auf ein neues Niveau heben und andererseits Innovation und Fortschritt nicht verhindern. Alena Buyx als „Medizin-Ethikerin“ im Beirat vergleicht und sagt (im Interview mit der zeit.de): „Bisher hatten Fälle in anderen Ländern, wo große Mengen an Gesundheitsdaten gestohlen wurden, keine schrecklichen Folgen.“ Das sollte denen zu denken geben, die bei diesem Projekt immer mehr Aufwand in Sicherheit stecken wollen und nicht die hohen Kosten und die Verzögerungen sehen.
Zumal die Gematik den unberechtigten Zugriff auf die Daten der ePA strafrechtlich betrachtet und Täter mit Geld oder Freiheitsstrafen mit bis zur drei Jahren bedroht. Dass „staatliche Organisationen über erhebliche Ressourcen und Expertise verfügen, um gezielt Informationen zu sammeln oder Infrastrukturen zu kompromittieren“ sieht zwar das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik), aber ob dieser nicht zu beherrschenden Anforderung hat die Gematik in diesem Rahmen die richtigen Vorkehrungen getroffen und Regierungsorganisationen von einer Verfolgung ausgeschlossen.
Bei allen Unkenrufen zur ePA dürfen wir keinesfalls übersehen, dass Vorteile greifbar werden, von denen unsere Urgroßväter nur träumen konnten. Bislang hören wir immer wieder von den Unzulänglichkeiten, weil wir den Impfpass nicht einstellen können, der Medikationsplan noch nicht verfügbar (aber schon für eine der nächsten Versionen der ePA vorgesehen ist), oder größere Datenmengen, wie sie zum Beispiel bei einem MRT anfallen, nicht übertragen werden. Wie denn auch? Die Gematik fängt erst an! Aber: Bereits einen Tag vor dem Start konnte das erste Aktensystem in Betrieb genommen werden. Die Krankenkassen werden ab sofort ihre Abrechnungsdaten einspeisen, die widerspruchslos gleich an das FDZ Gesundheit (Forschungsdatenzentrum Gesundheit) übermittelt werden. Das ist deshalb notwendig, weil alle Daten im EHDS (gemeinsamer Europäischer Gesundheitsdatenraum: European Health Data Space) zusammengeführt werden müssen. Wie effizient das EHDS arbeitet, hat Dr. Thilo Weichert anlässlich einer Preisverleihung herausgestellt.
Das FDZ erhält nur pseudonymisierte Daten, führt sie mit rund 400 anderen medizinischen Registern zusammen und – sobald möglich und sinnvoll – auch mit anderen Quellen, zum Beispiel mit Gendatenbanken. Übermittelt wird nicht die Krankenversicherungsnummer, sondern ein Forschungspseudonym, das zwar auf der Krankenversichertennummer basiert, aber kaum Aufschluss gibt. Eine Vertrauensstelle beim Robert Koch-Institut verwaltet diese Nummern. Kaum anzunehmen, dass eine kleine Gesetzesänderung wie beim opt-out-Verfahren jemals daran rütteln wird. Derzeit ist es dem FDZ also nicht möglich, herauszufinden, welcher Datensatz von welchem Patienten kommt.
Bei diesen hohen Sicherheitsanforderungen und den wirkungsvollen Vorkehrungen, wundert es sehr, wenn sich Teile der Bevölkerung gegen die ePA stellen und in einem offenen Brief bei Gesundheitsminister Lauterbach Stimmung machen.
Ein Blick auf die Unterzeichner, diesen berufsmäßigen Bedenkenträgern, zeigt schnell, dass es sich nicht um gesellschaftliche relevante Gruppen handelt, sondern Minderheiten, wie AIDS-Kranke, Alzheimerpatienten oder Verbandspsychopathen, die mit ihrem peinlichen Aufschrei Innovation und Fortschritt behindern!
Auch Kinderärzte warnen vor der ePA und wollen unterbinden, dass unsere Jugend, früh die Früchte erntet, die die Gematik auslegt. Was ist denn so tragisch daran, wenn die Kleinen ihre FitnessApp von Google gleich mit der ePA harmonieren und ihr Profil bei Instagram damit bereichern? Muss ja nicht gleich TikTok sein.
Die Jugend kann wenigstens mit den Apps der Kassen besser umgehen, als Opa, der sich noch nicht mal mehr die PIN für seine EC-Karte merken kann. Und – das sei der Gematik hoch angerechnet – die Apps konnten deutlich vereinfacht werden. Wer (außer den Kids, weil sie damit spielen wollten) hätte diese fein granulierten Einstellungen in den Apps vornehmen könnenm, mit denen der Zugriff für bestimmte Ärzte/Institutionen gesteuert werden sollte?
Zum Glück ist dieses überflüssige Feature, das der frühere Bundesdatenschützer Ulrich Kelber unbedingt haben wollte, rausgeflogen. Das wäre viel zu kompliziert gewesen. Geholfen hat der Weitblick der neuen Bundesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider, die als Karrierejuristin im Datenschutz eher Herausforderungen sieht und keine Probleme – wie früher. Sie nimmt die Herausforderung zur ePA an, zieht mit der irischen Datenschutzbehörde gleich und sagt: nichts! Diese Größe ist bewundernswert!
In ein paar Jahren, wenn die ePA prall gefüllt ist, kann auch die KI den Patienten helfen, zu verstehen, was der Arzt im Gespräch nicht auf den Punkt gebracht hat, eine Art Zweitmeinung mit der KI besprechen, das sagt Bundesgesundheitsminister Lauterbach voraus.
In jedem Fall werden die Kosten für ärztliche Leistungen viel transparenter. Im Zuge einer veralteten Gesellschaft ergeben sich immer mehr Krankheitsverläufe, die mit den Methoden der künstlichen Intelligenz – basierend auf dem Datenschatz der Gematik – wesentlich konkreter und somit auch effektiver eingeschätzt werden können.
Bei Langzeitpatienten oder teuren Eingriffen kann genauer vorhergesagt werden, wie effizient die Behandlung für die gesetzliche Krankenkasse verlaufen wird. Warum soll die Solidargemeinschaft eine teure Hüft-OP finanzieren, wenn die KI-gestützte Diagnose vorab belegt, dass der Patient oder die Patientin grundsätzlich nicht genug Lebenserwartung aufweist.
Es wäre allerdings hilfreich, zumindest für Besserverdiener unter den Kassenpatienten, eine zusätzliche private Absicherung zu erschaffen. Das sollte unsere Jugend berücksichtigen, um rechtzeitig einzuzahlen, die Prämien werden sich dank der gesammelten Daten sehr individuell gestalten lassen.
Ich denke, ob dieser Entwicklung wäre ein Luigi Mangione Award angemessen – und ein Volkshochschulkurs für 3D-Drucker, auf Kassenkosten!
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