Sind die Dän*inn*en so glücklich, wie Bjarne Mädel und Detlev Buck glauben? Zweifel sind erlaubt. Sozialdemokrat*inn*en in ganz Europa haben sich noch 2022 daran besoffen, dass mit der restriktiven dänischen Migrationspolitik Wahlen gewonnen werden können: + 1,6%, sie waren schon mit wenig in Trance zu versetzen. Thomas Vinterberg hat das offenbar nicht überzeugt.

Mit dem Auftragsgeld ziemlich vieler Auftraggeber*innen, u.a. aus Norwegen, Dänemark, Frankreich, Schweden und der unvermeidlichen ARD-Degeto aus Deutschland, hat er die Serie “Families like ours”, verfügbar bis 21.8., gefertigt.

Der – gelungene – Kunstgriff ist, die Dän*inn*en zu Klimaflüchtlingen zu machen = Perspektivenwechsel. Und dann erzählt er, wie es Flüchtlingen in Europa ergeht. Viel erfinden musste er dafür nicht. Wer von den Fluchtgründen noch nicht traumatisiert ist, wird es von den Fluchtumständen. Und die sind ein exklusives Geschenk von EU-Europa. Für Leute, die sich nicht mit Flüchtlingen beschäftigt haben, kann das Augen öffnen. Wie viele erreicht er? Keine Ahnung. Linear hat die ARD das am vergangenen Wochenende im Nachtprogramm versenkt.

Vinterbergs Setting erinnert an die norwegische Serie “The Fortress”, die ebenfalls noch mediathekverfügbar ist. Solche Kooperationen europäischer TV-Anstalten sind durchaus lobenswert, weil sie mindestens potenziell diverse Perspektiven zusammenbringen können. Der einstige harte “Dogma”-Protagonist Vinterberg hat sich in der Inszenierung von seinen Auftraggebenden offenbar recht weichspülen lassen. Alles ist – nicht gefällig, das gibt der Stoff nicht her, aber – recht konventionell inszeniert und erzählt, mit eingestreuten Tränenstreuseln. Der reichlich dosierte Familienkitsch: ist der dänisch, deutsch, oder liegt es an mir? Davon aber abgesehen: die Leistungen des Ensembles sind erstklassig, was natürlich auch für ebendiesen Regisseur und seine Menschenführung spricht.

Sowas hat mann alles schon härter gesehen. Aber wenn die ARD-Degeto die Musik bestellt … Trotzdem: wem noch was an Europa liegt – gucken! Sogar Extradienst-Leser W. Nissing hat es überzeugt.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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