Im April 2025 wird eine von den Sahauris in Algerien organisierte Solidaritätsrundreise in die Westsahara-Camps in Algerien angeboten. Sie soll die Möglichkeit geben, vor Ort die Situation der Sahrauis und ihren Kampf um Selbstbestimmung und Unabhängigkeit aus erster Hand kennenzulernen. 

Bereits am 27. Februar jährte sich der „Tag der Westsahara“. Nach dem Abzug der spanischen Besatzungstruppen 1976 wollten Marokko und Mauretanien das Gebiet unter sich aufteilen. Die Befreiungsbewegung Polisario, die schon zu Zeiten der spanischen Besetzung aktiv war, strebte jedoch einen eigenständigen Staat an und gründete am 27. Februar die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS). Dieses Datum wurde zum Nationalfeiertag der Westsahara. 

Seit 1884 hatte Spanien diese Region ununterbrochen als Kolonie besetzt, also mehr als 90 Jahre lang. Als es sich 1976 endgültig aus der Region an der Atlantikküste Nordwestafrikas zurückzog, erhob sofort Marokko Anspruch auf das Land und begründete dies mit angeblichen Beziehungen in vorkolonialer Zeit. Der südliche Teil wurde von Mauretanien übernommen. 1979 zog sich Mauretanien zurück, woraufhin Marokko auch diesen Teil der Westsahara annektierte. Die Vereinten Nationen erkannten dies nicht an. Schon im Mai 1975 hatten sie festgestellt, dass die Bevölkerung die Unabhängigkeit wünsche und der Frente Polisario breite Unterstützung zukommen lasse.  

Die daraus erwachsenen militärischen Auseindersetzungen zwischen den beiden Parteien dauerten bis 1991, als die Vereinten Nationen einen Waffenstillstand vermittelten und ein Referendum über die Zukunft des Gebietes ankündigten. 1984 hatte Marokko einen 2.700 km langen verminten Sandwall gebaut, der die Kampfhandlungen weitgehend eindämmte. Seitdem ist die Region geteilt. Marokko kontrolliert den größten Teil der Westsahara, die Polisario das östliche Drittel, eine dünnbesiedelte Landschaft, die überwiegend aus Wüste besteht.

Zur Vorbereitung der Abstimmung und Überwachung des Waffenstillstands gründeten die Vereinten Nationen die MINURSO gegründet (Mission des Nations Unies pour l’Organisation d’en Referendum au Sahara Occidental). Auch Minen- und Munitionsräumung gehören zu ihren Aufgaben. Derzeit besteht die Mission aus 240 UN-Soldat/innen aus 38 Nationen. Seit 2023 wirkt die Bundeswehr mit bis zu vier Militärbeobachter/innen mit.

Die Westsahara ist ein begehrtes Objekt, weil sie über große Phosphatvorkommen verfügt; sie liegen zu 70% in den von Marokko kontrollierten. Vor der Küste gibt es reiche Fischereigründe, aus denen u.a. die EU beliefert wird. Unter Bezug auf das Völkerrecht verlangt die Polisario, dass die Rohstoffe des Landes nur mit ihrer Zustimmung genutzt werden dürfen. Die Rechtslage spricht zugunsten der Sahauris. Ihnen garantiert das internationale Recht die Selbstbestimmung. Der Internationale Gerichtshof hat in einem Gutachten und in einem späteren Urteil die territorialen Ansprüche von Marokko zurückgewiesen.

Auch der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat sich mehrfach mit der Situation in der Westsahara befasst. Immer wieder werden aus den von Marokko regierten Landesteilen Einschränkungen der zivilen und politischen Rechte der Sahauris gemeldet. Werbung für die Unabhängigkeit und Kritik am Königshaus werden verfolgt, mit Einschüchterung und willkürlichen Verhaftungen, laut Amnesty International auch mit Folter oder Verschwindenlassen. Den Empfehlungen des Rates zur Verbesserung der Menschenrechtslage ist Marokko bislang nicht gefolgt. 

Offenbar kann auch die MINURSO daran nichts ändern; ihr Mandat ist eng gefasst. Änderungsanträge scheitern im UN-Sicherheitsrat an den Veto-Stimmen Frankreichs und der USA. Im Herbst 2024 erhielt der Antrag Algeriens, das Mandat auf die Menschenrechtslage auszuweiten, nur vier Ja-Stimmen, aber viele Enthaltungen. Inzwischen lehnt Marokko sogar die UN-Entscheidung auf Durchführung eines Referendums ab und bietet den Sahauris nur noch eine Autonomie des Gebietes unter marokkanischer Souveränität an. Im November 2020 erklärte die Polisario das Waffenstillstandsbakommen für ungültig, und es begannen neue militärische Aktivitäten.

Die Vereinten Nationen hatten schon 1966, als sie sich für die Dekolonialisierung der Westsahara einsetzten, die Durchführung eines Referendums über den völkerrechtlichen Status des Gebietes verlangt. Über dessen Modalitäten konnte jedoch bislang keine Einigkeit erzielt werden. Erstens streitet man über die Zielsetzung: Marokko will der Polisario autonome politische Institutionen anbieten, die wirtschaftliche Entwicklung fördern und einen Hafen am Atlantik bauen. Die Zuständigkeit für Außenpolitik, Verteidigung und Währung soll bei Marokko bleiben. Die Polisario will, dass bei dem Referendum auch die Unabhängigkeit der Region zur Wahl steht.

Zudem bestehen Meinungsunterschiede über die Struktur des zu beteiligenden Personenkreises: Die Polisario will nur jene Bewohner abstimmen lassen, die ethnisch zu den Sahauris zählen, also die Bewohner Westsahara zur Kolonialzeit und deren Nachkommen. Marokko hingegegen verlangt, dass alle in der Westsahara lebenden  Menschen abstimmen. Dazu zählen dann auch rund 100.000 Migrant/innen, die aus dem marokkanischen Staatsgebiet eingewandert sind.

Schon lange unterstützt Spanien die marokkanischen Ansprüche. 2024 hat sich Frankreich dieser Position angeschlossen in der Erwartung, von Marokko Unterstützung bei der Abwehr von Migranten zu erhalten. Die USA hatten bereits 2020 im Rahmen eines Deals von Präsident Trump Marokkos Haltung anerkannt. Im Gegenzug musste Marokko seine diplomatischen Beziehungen zu Israel normalisieren. Auch die Golfstaaten und ein Teil der afrikanischen Länder betrachten inzwischen die Westsahara als Teil Marokkos. Nur noch 42 Staaten weltweit erkennen die Unabhängigkeit der Demokratische Arabische Republik Westsahara an, die gleiche Zahl unterstützt Marokkos Ansprüch.

Etliche Staaten und die Afrikanische Union stehen noch auf der Seite der Polisario und unterstützen die von ihr erklärte Demokratische Arabische Republik Westsahara. In der Afrikanischen Union ist die DARS seit 1981 Vollmitglied, bei den Vereinten Nationen nicht. Die UN beziehen keine Position, bezeichnen die Westsahara als ‘Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung‘ und verfolgen den Plan eines Referendums. Diese Einstellung vertritt auch die Europäische Union – ungeachtet der Parteinahme von Frankreich und Spanien. Möglicherweise basiert die Haltung der EU auf der Rücksichtnahme auf die Beziehungen zu Algerien. Algerien hat bereits seine Position gegenüber Frankreich verschärft und nimmt z.B. keine abgeschobenen algerischen Staatsangehörigen mehr zurück.

Algerien unterstützt die benachbarte Polisario, unter anderem wegen des Ziels der Dekolonialisierung, langjähriger Rivalität mit Marokko und Kontroversen über den Grenzverkauf. Eine Kontrolle über die Westsahara strebt Algerien nicht an. Es gewährt jedoch 170.000 sahaurischen Flüchtlingen Schutz, die dort seit vielen Jahrzehnten in Lagern in der Wüste leben und komplett von humanitärer Hilfe abhängig sind. Diese Personen sind der weitaus größte Teil der sahaurischen Bevölkerung. Algerien ist auch immer wieder Rückzugsgebiet für sahaurische Milizen. Mehrfache Konflikte zwischen Algerien und Marokko haben 2020 zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen geführt.

Die Polisario hat in Algerien eine Repubik im Exil aufgebaut und unter anderem ein Parlament, eine Verfassung und internationale Vertretungen geschaffen. Die junge Generation sieht dort indes keine Zukunftsperspektiven, so dass das Wiederaufflammen der militärischen Gewalt keine Überraschung war.

Externe politische Überlegungen bestimmen also die Entwicklung in der Westsahara. In der inernationalen Gesellschaft besteht Uneinigkeit. Die realpolitischen Interessen von Spanien, Frankreich und den USA haben sich weitgehend durchgesetzt. Das geplante Referendum ist niemals realisiert worden. Seine Chancen sinken, und das UN-Mandat für die Westsahara muss immer wieder durch den Sicherheitsrat verlängert werden. Zuletzt erfolgte dies am 31.10.2024. Der völkerrechtliche Status der Region bleibt ungeklärt. Die Dekolonialisierung bleibt unvollendet. Angesichts dieser Entwicklung und der Aussichtslosigkeit von Einigungsverhandlungen mehren sich die Forderungen nach neuen Lösungen.

In Marokko wird übrigens ein anderer Tag gefeiert, der 14.8. Das ist jenes Datum, an dem Mauretanien 1979 seinen Anteil an der Westsahara zugunsten von Marokko aufgab. In Marokko ist dies ein gesetzlicher Feiertag, an dem nicht gearbeitet wird und die Schulen sowie die meisten Geschäfte geschlossen sind.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.