Bund macht sich abhängig von Amazon und Co.
Die Zukunft der öffentlichen Verwaltung ist die Cloud, wenn es nach dem Bund geht. Weil ihnen die Ressourcen fehlen, greifen Behörden aber oft auf private Anbieter zurück und machen die öffentliche Verwaltung so abhängig von Amazon und Co.
Daten speichern, Software nutzen oder zusätzliche Kapazität bei großer Auslastung – das alles gilt als Argument für Cloud-Dienste. Wenn es nach dem Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) geht, wird die öffentliche Verwaltung ihre IT immer mehr in die Cloud verlagern und „alle wichtigen Verfahren‚ cloudifizieren‚“. Dabei verfolgt der öffentliche IT-Dienstleister einen „Cloud First“-Ansatz. Denn Cloud Computing sei nicht nur schnell, flexibel und wirtschaftlich, sondern auch Marktstandard.
Die Bundesverwaltung investiert hohe Summen in Cloud-Produkte, Tendenz steigend. Wie die Antwortder Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei Die Linke zeigt, hat der Bund die Ausgaben für Cloud-Nutzung von 2021 bis 2024 verdoppelt. Waren es 2021 noch 136 Millionen Euro, lagen die Kosten für das Jahr 2024 bei 286 Millionen Euro. Für das Jahr 2025 rechnen die Behörden mit Budgets von mindestens 344 Millionen Euro.
Zur Einordnung: Das Digitalbudget des Bundes betrug für das Jahr 2024 gut 19,1 Milliarden Euro. Davon entfielen 16 Milliarden Euro auf die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.
Die ehemalige digitalpolitische Sprecherin der Linken Anke Domscheit-Berg kritisiert, dass es keine Leitlinien gebe, wie Behörden Cloud-Dienste nutzen sollten. Wichtig wären klare Vorgaben für Behörden und Ämter, wie sie „hohe Sicherheitsstandards einhalten und teure und riskante Fehlentscheidungen vermeiden“ könnten.
Ausgaben wohl deutlich höher
In der Anlage (PDF) der Antwort stechen vor allem die Ausgaben des ITZ Bund und des Auswärtigen Amtes heraus. Allein für den öffentlichen IT-Dienstleister lagen die Haushaltsmittel für 2024 bei 242 Millionen Euro. Wie viel genau der Bund insgesamt für Cloud-Produkte ausgibt, geht aus der Antwort der Bundesregierung allerdings nicht hervor. Und damit auch nicht, ob ITZBund und Auswärtiges Amt wirklich die Behörden mit den höchsten Cloud-Ausgaben sind.
Die Auskünfte über die Höhe der Budgets stuft die Bundesregierung bei den meisten Bundesbehörden als geheimhaltungsbedürftig ein. Sie enthielten „Informationen, die im direkten Zusammenhang mit der Arbeitsweise und Methodik der Nachrichtendienste des Bundes stehen“, so die Begründung. Damit würde die Veröffentlichung der Daten ein Sicherheitsrisiko darstellen.
Cloud ist nicht gleich Cloud
Für die Bundesverwaltung betreibt ITZBund die Bundescloud und als Erweiterung dieser die IT-Betriebsplattform Bund. Bei der Bundescloud handelt es sich um eine sogenannte Private Cloud. Sie wird vom IT-Dienstleister des Bundes betrieben und exklusiv für den Bund angeboten. Betrieben wird sie in bundeseigenen Rechenzentren.
Für die ressortübergreifende Kommunikation von Verschlusssachen (R-VSK) hat die Bundesregierung zudem eine eigene „hochsichere“ R-VSK-Cloud-Plattform für Verschlussachen bis zur Einstufung „geheim“ aufgebaut.
Daneben nutzen Bundesbehörden auch Public Clouds, bei denen sie den Betrieb von IT-Infrastruktur, Datenhaltung und die Software als Dienstleistung von externen Anbietern beziehen. Zwar sollte die Bundescloud zur zentralen Plattform für alle Online-Dienste werden, doch muss der Bund auch auf Public Clouds setzen, weil zu wenig Ressourcen zur Verfügung stünden. Somit geht ein Großteil der veröffentlichten Summen an die Public-Cloud-Anbieter Amazon, Microsoft, Google und Oracle. In insgesamt 32 verschiedenen Cloud-Diensten verarbeiten sie teils Nutzenden-Daten aus der Bundesverwaltung.
„Nur bei einem einzigen (AWS-Software VAULT Storage), genutzt von der Bundespolizei, stellt eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sicher, dass eine Entschlüsselung von Meta- und Nutzerdaten ausschließlich auf den Endgeräten der Nutzenden möglich ist“, kritisiert Domscheit-Berg. Das dürfe bei „jeglichen sensiblen Daten“ nicht passieren.
Mit Open Source Abhängigkeiten verringern
Um Abhängigkeiten von den gängigen Public-Cloud-Anbietern zu verringern, könnte die öffentliche Verwaltung auf Open-Source-Clouds ausweichen. Doch die spielen in der Bundesverwaltung kaum eine Rolle. Gut zwei Prozent der Ausgaben entfallen hier auf Open Source, im Wesentlichen für Cloud-Anwendungsentwicklung. „Bei den Betriebsausgaben für Cloud beträgt der Anteil proprietärer Software 99,9 Prozent“, stellt Domscheit-Berg fest.
Dabei erklärt die Bundesregierung, dass der Einsatz von Open-Source-Software „bei Entwicklung und Betrieb der Bundescloud“ wichtig sei, da diese „eine Eigenentwicklung des Bundes und kein gekaufter Cloud-Stack“ sei. Gleichzeitig setzt sie zu großen Teilen auf VMware und Microsoft.
Doch Open Source komme nicht von allein. Die Erwartung des Bundes, dass eine „Soll“-Vorschrift im eGovernment-Gesetz für mehr Open-Source-Beschaffung sorgt, hält Domscheit-Berg für „naiv“. Soll eine gesetzliche Regelung wirksam sein, müsse sie messbare Ziele vorgeben, zum Beispiel ein Anteil von 50 Prozent Open Source bis 2029. Diese Forderung hatte die SPD in den Koalitionsverhandlungen gestellt. Im geeinten Koalitionsvertrag landete dann lediglich die Formulierung, man wolle „ambitionierte Ziele für Open Source“ definieren.
Esther Menhard ist freie Autorin bei netzpolitik.org. Sie recherchiert zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und nimmt dazu gerne Hinweise entgegen. Von Haus aus Philosophin, interessiert sie sich für Datenethik, die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Digitalität, AdTech, open access und open source. Kontakt: E-Mail (OpenPGP), Mastodon Bluesky. Dieser Beitrag ist eine Übernahme von netzpolitik, gemäss Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.
Schreibe einen Kommentar