Der schöne Fussball war es einst in Mönchengladbach – wo ist er heute?
Seltsam leidenschaftslos registriere ich den Medienlärm um das 125-Jahre-Jubiläum von Borussia Mönchengladbach. Seit 1965 bin ich Fan dieses seltsam-sensationellen Phänomens in einem niederrheinischen Provinznest, mit 50.000 Einwohner*inne*n weniger als Bonn. Zum Vergleich: der Bonner SC ist soeben in die 4. Liga aufgestiegen – und spielt heute (14 h, Sportpark Nord) gegen ebendiese Borussia, allerdings nur deren zweite Mannschaft. Und ich hab’ keine Zeit dafür. Endergebnis: ein standesgemässes 0:4.
Mehr erregen würde mich eine sportlich beeindruckende Vorstellung – heute gegen den FC Valencia, dessen sportliche Erfolge ähnlich lange zurückliegen, und erst recht in der kommenden erneut mit Abstiegsgefahr drohenden Saison.
Ein tiefes Gefühl drängt nach der letzten Spielzeit noch mehr in mir nach vorne. Es gab mehrere Spieltage, an denen die Zweite Liga mehr Stadionzuschauer*innen anlockte als die Erste. Die beste Lösung wäre also ein gemeinsamer Abstieg des FCs vom Dom und meiner Borussia. Danach würde sich kaum noch ein ernsthafter Fan für die erste Liga der Investoren und Geldsäcke interessieren, und die könnten sich mit ihren angeschlossenen Medienkonzernen unbeachtet um sich selbst drehen.
Die talentiertesten Spieler der gegenwärtigen Borussia sind schon weg (Alassane Pléa, das ist der, der im Sturm von OGC Nizza sogar mit Mario Balotelli harmonierte) oder so gut wie (Florian Neuhaus, und die offene Frage, wer zum Scheitern seiner Karriere mehr beigetragen hat).
Seit dem mehr als merkwürdigen Abgang von Max Eberl bestimmt Roland Virkus die Strategie der Borussia. Seine Medienstrategie hat noch viel Luft nach oben. Einige sagen ihm gar eine toxische Menschenführung nach. Dass er keine Transferschlagzeilen im Sommerloch macht, das war schon in besseren Zeiten ein positives Borussia-Markenzeichen. Doch auch, als das Sommerloch im letzten Jahr vorbei war, hatte er die löchrige Defensive des Teams nicht verstärkt.
Dass die von Uwe Kamps verantworteten Torhüter – fast alle von Verletzungspech geplagt – im Einsatz gute Leistungen zeigten, und mit dem 21-jährigen Lukas Ulrich als Linksverteidiger eine achtbare Verstärkung am Firmament aufglühte, das könnte den Gesamtverlauf der letzten Saison gerettet haben. Neben der tragenden Säule Tim Kleindienst, ohne den wir im Abstiegskampf sicher dabeigewesen wären. Der ist aber noch bis November verletzt. Und nun soll mit Itakura noch ein bundesligareifer Verteidiger nach Holland abhauen.
Eine weitere leuchtende Kerze war die deutsche Meisterschaft der U17. Die Geldsäcke aus dem süddeutschen (Halbfinale) und dem ostdeutschen (bzw. Fuschl am See) Raum (Finale) wurden sicher geschlagen. Die Spiele trugen zu meiner Genesung in der Herzinfarkt-Reha entscheidend bei. So mancher Spieler war zu erkennen (Mohya, Horvat u.v.a.), dem eine Aufnahmeprüfung ins Profiteam zu gönnen ist. Und zwar bevor er von gierigen Berater*inne*n und konkurrierenden Kapitalgesellschaften weggekauft wird. Das war in besseren Zeiten mal die “DNA” der Borussia.
Die Fans erwarten keinen Titelgewinn. Sie sind selbst Realist*inn*en. Sie erwarten Arbeit für attraktiven Fussball. Und seine Sichtbarkeit im Stadion. Sie selbst leisten ihren Beitrag zuverlässig, und waren bei manchem Heimspiel als “12. Mann” der beste Spieler. Wenn das dem Vereinsmanagement aufgrund der Gesetze des real existierenden Fussballkapitalismus nicht mehr gelingt, dann lasst uns wirklich offensiv in die attraktivere Zweite Liga gehen.
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