Der Newsletter von Juli und August 2025 des Demokratischen Salons ist mit allen neuen Beiträgen online. Vielleicht sollten wir in dieser Zeit wieder auf Wolf Biermann hören: „Du, lass dich nicht verhärten / in dieser harten Zeit. / Die allzu hart sind brechen, / die allzu spitz sind stechen / und brechen ab sogleich.“ Ein Gegenprogramm zu dem Gedicht „An die Nachgeborenen“ von Bertolt Brecht, in dem er um „Nachsicht“ warb, dass man in „diesen finsteren Zeiten“, nicht „freundlich sein“ konnte? Wie schwer es ist, in dieser Zeit nicht zu „verhärten“, dokumentiert Sarah Levy in ihrem im August 2025 bei Rowohlt erschienen zweiten Buch „Kein anderes Land – Aufzeichnungen aus Israel“, Pflichtlektüre für alle, die sich nicht von radikalisierenden, verhärtenden Parolen vereinnahmen lassen möchten. Es ist – so Saba-Nur Cheema – „ein Buch für alle, die jenseits der polarisierten Nahostdebatte nach Zwischen- und Grautönen suchen.“
Im Editorial wagt Norbert Reichel einige Anmerkungen zur politischen Kommunikation, nicht zuletzt im Kontext der ersten 100 Tage der Regierung Merz. Der Titel beruht auf einem Interview der ZEIT mit Ivan Krastev: „Hamlet widerlegen“.
Und hier die neuen Texte im Demokratischen Salon, Im Anschluss daran die: weiteren Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen. Empfehlungen für den Besuch von Veranstaltungen und Ausstellungen finden Sie jetzt nicht mehr im Newsletter, sondern auf einer eigenen Seite, nach Orten sortiert. Diese Seite wird laufend aktualisiert.
- Anne Peiter spricht in „Des génocides populaires“ über ein schwieriges Kapitel vergleichender Genozidforschung, insbesondere im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede von „Shoah“ und „Tutsizid“. Sie verknüpft kultur-, literatur- und geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne einer „konfluierenden Erinnerung“, beschreibt die engen Grenzen juristischer Aufarbeitung und demaskiert „Ethnifizierung“ und „Tribalisierung“ in Deutschland und Frankreich. (Rubriken: Afrikanische Welten, Shoah)
- Hans-Georg Soeffner stellt eine ganz besondere interdisziplinäre Einrichtung mehrerer Fakultäten der Universität Bonn vor: „Das Zentrum für Versöhnungsforschung“. Grundlagen sind „Multiperspektivität“ und „Ambiguitätstoleranz“, verbunden mit einem „Polytheismus der Werte“ im Sinne von Max Weber als Gegengewicht zu den seit dem 19. Jahrhundert populären Fundamentalisierungen über „Religion“ und „Nation“. „Versöhnung“ reicht weiter als bloße Friedensschlüsse. (Rubriken: Weltweite Entwicklungen, Treibhäuser)
- Clara Marz stellt in „Frauen im geteilten Deutschland“ die von ihr kuratierte Ausstellung der Bundesstiftung Aufarbeitung vor. Sie dokumentiert internationale Verflechtungen, bietet Einblicke in Arbeitswelt und Freizeit, Privates und Politisches. Sie diskutiert nach wie vor offene Fragen der Frauenrechte im Jahr 2025, nicht zuletzt angesichts aktueller Bedrohungen. Die Ausstellung präsentiert auf 21 Tafeln verschiedene Lebensbereiche von Frauen in Ost und West, vor und nach der Friedlichen Revolution. (Rubriken: Liberale Demokratie, DDR, Gender)
- Karlheinz Steinmüller dokumentiert in dem Essay „Die zensierte Zukunft“ die Zensur von Zukunftsromanen in der DDR. Die Autor:innen erlebten eine Abfolge von Eiszeiten und Tauwettern im Gewirr des Zusammenspiels der staatlichen Behörden und Verlage, manche resignierten und zensierten sich selbst. Zentrale Vorgaben waren Klassenauftrag, Perspektivbewusstsein und Parteilichkeit. Bei einigem Geschick entstanden Spielräume für unmöglich Erscheinendes. (Rubriken: Utopien / Science Fiction, DDR)
- Fritz Heidorn porträtiert einen US-amerikanischen Science-Fiction-Autor auf seinen Reisen durch Wissenschaft, Religion und Literatur als Erforscher möglicher Zukünfte: „Ben Bovas Grand Tour – Eine Reise durch das Sonnensystem ins 21. Jahrhundert“. Ben Bova war Herausgeber mehrerer bedeutender Zeitschriften. Er erfand nicht nur Geschichten, sondern verstand sich auch als Religions- und Gesellschaftskritiker. Fritz Heidorn resümiert: „Wir sehen neue Welten und erkennen unsere Eigenheiten.“ (Rubrik: Utopien / Science Fiction)
- Nicole Günther veröffentlicht in „Die Magie von Licht und Schatten“ Gedanken zur Materialität der Schwarz-Weiß-Fotografie. Analoge Wurzeln, digitale Projekte, Inspiration über Musik und Musiktheater sorgen für Resonanzräume und eine widerständige Kultur des Innehaltens: „Meine Ästhetik ist keine Flucht. Sie sucht keine heile Welt. Sie will nicht betäuben, sondern öffnen. Ich verstehe meine Arbeit als Alchemie des Realen: Das Gesehene wird nicht verändert, sondern rhythmisiert, aufgeladen, durchdrungen.“ (Rubrik: Kultur)
- Regina Hellwig-Schmid hat mit Marianne Pitzen die Ausstellung „Heldinnen / Sheroes“ im Bonner Frauenmuseum kuratiert: „Kunst mit dem Körper“. Politische Kunst ist performative Kunst, von Pussy Riot über Femen bis hin zu den Women in Black und vielen einzelnen Künstlerinnen, von denen manche selbst zu Heldinnen wurden, andere Heldinnen künstlerisch dokumentieren. Gegenstand der Arbeit von Regina Hellwig-Schmid ist die Entwicklung des Kunstraums Ost- und Südosteuropa seit Mitte der 1990er Jahre. (Rubriken: Osteuropa, Kultur)
- Norbert Reichel stellt in dem Essay „Mehr Anti-Dystopie wagen! Eine popkulturelle Annäherung“ drei Bücher zur Popularität von apokalyptischen Fantasien beziehungsweise der Gegenmittel für eine utopische Zukunft vor. Die Analyse des Horrorgenres von Tammo Hobein beschreibt die Ausgangslage, die „Zukunftsbilder 2045“ von Reinventing Society und ein Ausblick von Isabella Hermann auf eine „Zukunft ohne Angst“ bieten popkulturelle Überwindungen der Lust am Dooming. (Rubriken: Treibhäuser, Utopie / Science Fiction)
Die weiteren Leseempfehlungen und Hintergrundinformationen des Demokratischen Salons beziehen sich auf die Vergabe des Deutschen Kulturpreises an Monika Grütters, eine Rede von Matthias Brandt zum 20. Juli 1944, einen Versuch, mit Thukydides die USA zu erklären, die Zusammenhänge zwischen Daseinsvorsorge und Demokratie, Fehlanreize im Bürgergeld, den Zusammenhang von Bürgergeld und Mieten, Frauenfeindlichkeit als Thema in der Schule, Digitalisierung von DDR-Schulbüchern, Bahnhöfe als Orte der Verfolgung in der NS-Zeit, die Proteste des Zentrums für politische Schönheit gegen die Vorsitzende der AfD, 50 Jahre KSZE, einen Beitrag von Eva Illouz über Gaza und Israel, ein Feature von Manuel Gogos zur Erinnerung an Frantz Fanon, eine kurze Geschichte der Vertreibungen im Nahen Osten, eine literarisch-künstlerische Auseinandersetzung mit der Rückkehr nach Syrien im Programm Weiter Schreiben, Katajun Amirpur über den Iran nach den Angriffen Israels und der USA, einen Bericht über den Alltag im Iran, muslimische Solidarität mit Israel, ein Interview über die Zukunft des Rechtsstaats in den USA, die Praxis der Verhaftungen und Abschiebungen in den USA, die katastrophalen Folgen der Streichungen des Programms USAID sowie des Resettlement-Programms in den USA..
Der Newsletter des Demokratischen Salons erscheint künftig in etwas größeren Abständen, in der Regel etwa alle acht Wochen. Die nächste Ausgabe erhalten Sie Ende Oktober 2025. Neue Beiträge werden selbstverständlich wie bisher laufend eingestellt.
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