Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

wdr5 – der Spinsender

Beim Aufwachen stieg heute morgen mein Blutdruck. Aus Versehen war wdr5 eingestellt. Es begann mit einer Schlachtfeldbulletin-Meldung zum Sturm auf Mossul. Gefolgt von einer Cyberwar-Kriegserklärung des US-Vizepräsidenten gegen Russland. Tut mir leid, meine Altmodischkeit: ich musste im Gegensatz zu meinen Eltern und Großeltern keinen Krieg miterleben. Aber sie haben mir als Kind genug davon erzählt, dass mir bei dem Thema immer ganz anders wird.

Heute morgen wurde mir ganz anders, weil der angebliche Informationssender bei der Wiedergabe dieser Themen jede kritische journalistische oder auch nur humanistische Distanz vermissen liess. Es gab mal Zeiten, in denen diese Qualitäten noch mit diesem Sender verbunden wurden. Sie scheinen immer mehr zu verschwinden. Bei der Suche nach verantwortlichen Redakteur*inn*en auf der wdr-Homepage wurde ich nicht fündig. Prominent portätiert werden nur die Moderator*inn*en; die moderieren aber nur weg, was ihnen die strategischen Planer*inne*en der Redaktion vorgearbeitet haben, sie sind also nicht die eigentlichen Macher*innen. Zum Qualitätsproblem gesellt sich bei unserem Landessender auch noch ein Transparenzproblem.

Dass es zu den gleichen Politikthemen auch analytisch-distanziert geht, ohne gleich in hilflos moralisierendes Verdammen umzukippen, bewies zur gleichen Sendezeit der – politisch gewiss konservativer gepolte – Deutschlandfunk mit seinem Interview mit SWP-Chef Volker Perthes. Es geht also auch ohne Feldpostvorlesen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Gert Samuel

    Mir geht es ganz ähnlich. Früher war WDR 5 ein Sender, der morgens brauchbare Informationen lieferte. Heute gibt es eigentlich nur noch einen Moderator, der gut vorbereitet und ohne Drang zum Mainstream arbeitet.
    Vermutlich liegt diese Entwicklung an der “kleinen-Häppchen-Politik” und der “Flottenstrategie” der von Buhrow 2014 von Antenne Bayern geholten WDR-Hörfunkdirektorin Valerie Weber (Siehe: KStA, 12.2.2015: “WDR auf halbem Weg zum Dudelfunk”, http://www.ksta.de/medien/kritik-an-hoerfunk-chefin-valerie-weber-wdr-auf-halbem-weg-zum-dudelfunk,15189656,29839638.html).
    Weber (Jg. 1965): “Es ist enorm wichtig, dass wir die Menschen zum Spielen bringen, denn das erlaubt ihnen das Abtauchen in eine Scheinwelt, um den Problemen des Alltags zu entfliehen.” (Quelle: NRZ, 13.11.2013) Kurze Zeit nach ihrem Start beim WDR flapsten so manche: WDR 2 = Wirf den Rooibos-Teebeutel 2mal – nach einem Mitmach-Spiel im Vormittagsprogramm. Steffi Neu war dabei in ihrem Element.
    Seit Mitte diesen Jahres schwappt nun dieser Unterhaltungsstil bei WDR 2 mit Jingles bis in die Nachrichten hinein. Webers “Flottenstrategie” zeigt Wirkung – bis hin zu WDR 5. Die Neuigkeiten-Vermittlung wird auch dort personalisiert und weiter regionalisiert. Das soll wohl für Wohlfühl-Atmosphäre und Nähe sorgen.
    Wie aktuell sind dagegen immer noch die Zeilen aus dem Stones-Klassiker von 1965: “When I’m drivin’ in my car, and a man comes on the radio, he’s tellin’ me more and more, about some useless information, supposed to fire my imagination. I can’t get no satisfaction.” Da traf Valerie Weber gerade auf dieser Welt ein.

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