Weil ja im Sommer auch wenig los ist, stürzen sich viele Medienberichterstatter derzeit auf die Manipulation von Zuschauerumfragen durch diverse TV-Sender. Nachdem sich das ZDF bei “Deutschlands Beste” hat erwischen lassen. Und siehe da, auch andere Sender sind geständig.

Ist das nun ein krimineller Betrug, wenn TV-Redaktionen Online-Votings nach eigenem Gutdünken korrigieren? Ja natürlich, kriminell vielleicht nicht, aber Betrug am Zuschauer auf jeden Fall. Allerdings habe ich mich schon vor Jahrzehnten dran gewöhnt. Als man als Jugendlicher in den 60er und 70er Jahren im Radio diverse “Hitparaden” hörte – und auch beim ZDF gab es natürlich eine – da wusste man ziemlich zügig, dass da nichts mit rechten Dingen zu ging.

Meine Aufregung im aktuellen Fall ist eine andere. Die Dritten Programme der ARD haben von allen TV-Programmen das höchste Durschschnittsalter der Zuschauer. Und gleichzeitig immer dann, wenn keine WM oder EM ist, auch die höchsten Einschaltquoten von allen. Die Alten gehen einfach weniger aus dem Haus. Und sie sind viele. Und angeblich: nicht weberelevante Zielgruppe. Mit anderen Worten: die gucken sowieso jeden Scheiss. Also kann man ihnen auch Scheisse vorsetzen. Wichtig ist nur, dass sie fast nichts kostet. So entstand die Idee dieser schon kabarettistisch anmutenden Ranking-Shows. Diese Verachtung dieser treudoofen Zuschauer ist mit das Widerwärtigste, was ich im TV-Business beobachte. Und das wird auch noch von uns allen bezahlt.

Dieses Phänomen ist außerdem in meinen Augen die wirkungsvollste Sabotage, die man gegen das System öffentlich-rechtlicher Medien in unserer Gesellschaft ausüben kann. Ein Umsturzversuch von innen, im Kern verfassungswirdrig. Abmahnungen und Kündigungen sind daher das Mindeste – aber nicht nur gegen kleine RedakteurInnen. Das System stellt sich selbst infrage. Es kann wohl nur durch eine Revolution wirklich gerettet werden.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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