In der Zeitschrift der Bonner Informationsstelle Lateinamerika mit dem Schwerpunkt “Argentinien” lese ich heute von Alicia Rivero: “Die von je her putschistische Rechte Argentiniens braucht keine Militärs mehr. Sie zielt auf den Verschleiß demokratischer Regierungen ab, indem sie die Wirtschaft destabilisiert, die Politik degeneriert, Skandale vorantreibt und Falschinformationen über ihre Medien verbreitet.” Dä! Argentiniens Präsidentin Kirchner hat das Verbrechen begangen, vor New Yorker Hedgefonds nicht zu Kreuze zu kriechen. Sie war sich deswegen ihres Wiederwahlsieges schon sicher, vergleichbar Tsipras in Griechenland. Doch irgendjemand schlug zurück, und sie machte – mindestens – auch genug PR- und Managementfehler, als ein ihr bös gesonnener Staatsanwalt plötzlich zu Tode kam.
Erstaunliche Parallelität in Brasilien. Präsidentin Dilma Rousseff, frisch wiedergewählt, gerät ins Zentrum einer tiefen Korruptionsaffäre des staatseigenen Erdölkonzerns, dass die rechte Opposition im Parlament schon über ein Amtsenthebungsverfahren nachdenkt.
Was ist diesen Damen gemeinsam? Sie wurden deutlich und bereits mehrmals demokratisch gewählt. Ihre Länder sind groß, relevant, ökonomische Schwellenländer, ein bisschen wie der gernegroße neureiche Gerhard Schröder. Rousseff und Kirchner errangen ihre Mehrheiten mit Postulaten für mehr soziale Gerechtigkeit, die wählbaren Alternativen standen weit rechts von ihnen. Die Überwindung des Kapitalismus und die Verhängung eines Sozialismus liegt ihnen jedoch fern, da sind sie streng realistisch. Sie wollen “nur” mitmachen und als gleichberechtigte Mitspielerinnen respektiert werden. Auf keinen Fall wollen sie sich über den Tisch ziehen lassen, wie es sich ihre vorwiegend männlichen, vorwiegend rechten und immer neoliberalen Amtsvorgänger bereitwillig gefallen liessen. Und dabei machen sie selbst mit ihren Parteien gleichzeitig immer die gleichen Fehler: wer mitmacht, macht auch Fehler und sich erpressbar.
Sowohl Kirchner als auch Rousseff versuchen sich aus diesem Dilemma zu retten, indem sie immer wieder korrupte Minister in die Wüste schicken, oder sogar korrupte Strukturen komplett bekämpfen, Rousseff z.B. den nationalen Fußballverband oder Kirchner jetzt den Geheimdienst. Doch mit dieser Sauberfrau-Strategie schaffen sie sich so viele einflussreiche Feinde, dass es böser Wallstreet-Strippenzieher, die es natürlich auch immer noch gibt, gar nicht mehr bedarf, um auf der Fresse zu landen.
Es ist eher erstaunlich, dass sie schon so lange Amtszeiten, Rousseff seit 2010, Kirchner seit 2007, geschafft haben. Ihre Wähler wollten es so; zu Fall gebracht werden sie von anderen Kräften. Wozu sie mglw. auch selbst gehören. Der Caudillismo ist eine Erkrankung der lateinamerikanischen Demokratien geblieben. Sie macht sie bei allem rhetorischen Widerstand immer noch zu einem Spielball international besser vernetzter Akteure.
Letzte Kommentare