Erst zog die CDU-FDP-Bundesregierung gegen die Branche der erneuerbaren Energien in den innenpolitischen Krieg. Sie wollte die alten Energiekonzerne, die so viele deutsche Politiker versorgt haben, verteidigen. Letzteres hat nicht geklappt. RWE, Eon und ähnl. sind nicht mehr weit vom Kollaps entfernt. Die deutsche Solarbranche immerhin wurde aber auch erledigt. Eine der wenigen Ausnahmen war die in Bonn ansässige Solarworld.  Ihr wurde von Qatar das Leben gerettet. Dafür könnte ihr jetzt aus den USA das Licht ausgeblasen werden.

Der Siliziumlieferant  Hemlock Semiconductor fordert 770 Mio. $ Nachzahlung. Solarworld sagt, die Rohstoffpreise seien gesunken. Hemlock sagt, ihr habt aber entsprechende langfristige Verträge unterschrieben und klagt jetzt vor US-Gerichten mit exzellenten Erfolgsaussichten. Doch was wäre der Erfolg? Solarworld wäre sofort pleite, hat keine Rückstellungen in dieser Größenordnung, wäre als Spieler auf dem weltweiten Solarmarkt erledigt. Gute Kaufleute würden sich ärgern und einigen. Solarworld rettet sich in öffentlichen Äußerungen in die Argumentation, ein Urteil des US-Gerichtes sei in der EU nicht vollstreckbar. Kann sein. Aber wieviel ist der Konzern noch wert, wenn er sich auf dem nicht unwesentlichen US-Markt nicht mehr bewegen kann? Oder geht es um was ganz anderes?

Weltweit wird um “Freihandelsabkommen” gedealt. Dabei entwickeln sich Fronten, manchmal entlang traditioneller Bündnisse, machmal auch quer dazu: im Pazifikraum (TPP), im Atlantikraum (TTIP), oft multilateral (EU u.a.), oft auch nur bilateral. Verkompliziert werden solche Verhandlungen durch überlagernde, nicht immer aber oft parallele militärstrategische Interessen. Die USA und Solarworld-Investor Qatar sind eigentlich grundsätzlich befreundet. Qatar ist aber, obwohl offziell nicht so reaktionär-wahabitisch orientiert, ähnlich wie die Saudis als Sponsor des IS verdächtig. In der Ölpolitik ist man nicht mehr freundlicher Lieferant, sondern Konkurrent. Das kleine Solarworld könnte hier ein Spielball sein, um mal eine klitzekleines aber deutliches Exempel zu statuieren, who is the boss?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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