Konzernmutter WAZ (“Funke-Mediengruppe”) meldete heute, dass Geschäftsführer Ludger Claßen sich ab sofort “aus gesundheitlichen Gründen” aus der operativen Geschäftsführung des Klartext-Verlages zurückziehe. Ich besitze etliche Bücher aus diesem Verlag, sie behandeln die Geschichte des Fußballs im Ruhrgebiet. Nun tritt ein wichtiger Macher ab, und ich habe Sorge, dass damit mehr als eine individuelle Berufslaufbahn endet.

Der Klartext-Verlag beherbergt bis heute die Sportzeitung “Reviersport”, die mal als Konkurrenz zu Bild und WAZ gegründet wurde und offensichtlich, sonst gäbe es sie längst nicht mehr, immer genug Käufer gefunden hat. Sie pflegt nämlich die Berichterstattung auch aus “unteren” Spielklassen des Ruhrgebietes, in jeder Saison begleitet von liebevoll vollständigen Sonderheften. Das gibt es sonst im Fußballbusiness kaum auf diesem Niveau. Nur wenige wissen, dass bei der Gründung der “Reviersport” in den 80ern auch über die Gründung einer “Revier-Rundschau” diskutiert wurde. Man war es einfach leid, von den großen Medienmonopolen nur mit dem Arsch angeguckt zu werden. Letztendlich hätte es sich wohl wirtschaftlich nicht gerechnet. Druck und Vertrieb, all das, was man heute nicht mehr braucht, wäre zu teuer gewesen. Sport/Fußball war einen Versuch wert, und der hat ja auch geklappt. Dabei hat Claßen immer eine wichtige Rolle gespielt, als Möglichmacher und Beschützer. Womöglich haben nicht alle dabei mit ihm Freundschaft geschlossen.

Als Realist des Mediengeschäftes musste er sich mit Recht fragen, wie viele Jahre oder Jahrzehnte seine Unternehmerabenteuer wohl gutgehen würden. So war es wohl eine Rettung für seine Altersversorgung, dass die WAZ, wogegen sie nicht in den Krieg ziehen wollte oder konnte, gerne gefressen, also “übernommen” hat. Das war auch die Strategie des damaligen WAZ-Geschäftsführers Bodo Hombach, der schon als SPD-NRW-Landesgeschäftsführer selbst Bücher im Klartext-Verlag veröffentlicht hatte. Und so einigte man sich 2007: die WAZ übernahm die unternehmerische Verantwortung, Claßen sollte dabei weiter seine Arbeit machen.

Das ist nun zuende. Hombach ist schon lange weg. Die Funke-Familie hat die Brost-Familie aus dem WAZ-Konzern herausgekauft. Sie steht nicht nur für den CDU-orientierten Teil der Konzernfamilien, sondern auch für den, der immer schärfer rechnen wollte als es Hombach je konnte. Sie verbinden wenig Gefühle mit einem der Regionalliteratur verbundenen Verlag. Sie kaufen bundesweit Medien auf, um anschliessend Synergien zu heben, nicht um zu expandieren und kulturelle Güter im Land zu produzieren und zu verteilen.

Da konnte sich Claßen kaum zuhause fühlen. Schade. Da hört nicht nur eine gute Person auf, sondern, so fürchte ich, auch eine sehr gute Sache.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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