Die wichtigste Sachfrage hat Charlotte Wiedemann, s. Meldung hier drunter, bereits skizziert. Die unsichtbare Kriegsführung Obamas, wird sie von Trump verringert, fortgesetzt, ausgeweitet? Vielleicht wollen wir die Antwort gar nicht wissen? Wir werden es wohl kaum vermeiden können, und das ist auch gut so.
Volker Perthes, Chef der Stiftung für Wissenschaft und Politik, und in dieser Funktion kein gewählter Politiker, sondern aus Mitteln des Bundeshaushaltes bezahlter öffentlicher Berater aller gewählten Politiker*innen, traute sich früher und ausführlicher als viele Regierungs- und Parlamentsmitglieder vor ein Deutschlandfunk-Mikrofon, um dort über strategische Konsequenzen aus der Wahl des Präsidenten Trump laut nachzudenken. Eine DLF-Kurzmeldung zu diesem Interview, die mehrere Stunden in den Nachrichten des Senders lief, verleitete manche vernünftige Menschen, dort Ansätze für einen “Schmusekurs” gegenüber Trump zu wittern – in meinen Augen ein Missverständnis, das durch den tatsächlichen Inhalt des Interviews nicht gedeckt ist und auch Perthes’ professionelle Rolle falsch versteht. Gleichzeitig ist so ein Missverständnis aber auch ein Symptom für die berechtigte große Nervosität der Öffentlichkeit auf beiden Seiten des Atlantiks. Von der kann sich kaum jemand freisprechen.
Update: Einen Tag später veröffentlichte Perthes diese Thesen, die, wie er selbst zurecht bemerkt, noch kontroverse Folgediskussionen nach sich ziehen müssen.
Kritisch befragen müssen wir, und das ständig, die Qualität der Informationen, die unser real existierendes Mediensystem uns liefert. Ulrich Horn artikuliert das in der ihm eigenen Prägnanz.
Kai-Hinrich Renner (Handelsblatt) nimmt einen der Anführer dieses Systems, Springer-Chef Döpfner, der sich in dieser Frage gerade aus dem Staub machen will, auf die Rolle. Danke dafür.

Ich muss bekennen, im Fall Steinmeier/Bundespräsident falsch gelegen zu haben. Ich habe nicht für möglich gehalten, dass Gabriel die Merkel in den Schwitzkasten bekommt, sondern es bisher immer andersrum gesehen. Welche höheren Ziele könnten es sein, die Merkel/CDU hier klein beigeben lassen? Es ist ein Zeichen von Schwäche, sturmreif geschossen vor allem durch Seehofer. Wenn er mag, soll er sich daran wärmen. Es hätte weit schlimmere Folgen haben können, als dass der seit Genscher wahrscheinlich vernünftigste deutsche Außenminister für das höchste Staatsamt gehandelt wird. Es ist zuerst ein Zeichen, mehr nicht aber auch nicht weniger, dass eine Fortsetzung der “Großen” Koalition denkbar bleibt, selbstverständlich nicht, weil es jemand wünscht, sondern nur, nur, nur, weil die Wähler*innen “schuld” sind. Merkel schätzt sich selbst nicht für stark genug ein, an dieser Stelle einen schwarz-grünen Setzling zu pflanzen. Realistisch wird sie rechnen: dafür gibts derzeit so wenig eine Mehrheit, wie für Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Gelb: optimistischste Umfrage 47% versus 49% für andere. Wer das anstrebt, kann sein Blatt jetzt nicht aufdecken, sondern erst nach der Wahl, also auch quasi “genötigt”, weiterverfolgen. Die Grünen machen es ja auch so. Wichtigste Abwägungsorientierung für Merkel ist: so viele Optionen offenhalten, wie möglich. Dafür könnte Steinmeier die richtige Wahl sein. Wenn Gabriel das richtig analysiert hat, kann er vielleicht doch dickere Bretter bohren, als wir ihm bisher hier zugetraut haben.

Zu Steinmeier selbst hat Küppi heute in der taz das Richtige geschrieben: “Klar, Steinmeier haftet für Agenda, Hartz, sein viele Militaristen begeisterndes Wort von ‘Deutschland, das zu groß ist, um Weltpolitik nur von der Außenlinie zu kommentieren’. In seinem Handeln als Außenminister bei Themen wie Ukraine, Syrien, Iran hingegen hätte er es ab und an verdient, von der Linkspartei in Schutz genommen zu werden. Nach Trumps Wahl kann man sogar zweifeln: Könnte Steinmeier als Bundespräsident überhaupt so gut sein, dass man auf ihn als Außenminister verzichten könnte? Ich fürchte: nein.”

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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