Harald Schumann ist einer der wenigen profilierten klarsichtigen Globalisierungskritiker im etablierten Journalismus. Er veröffentlichte nun ein engagiertes Plädoyer für die Sozialdemokratie im Tagesspiegel. Ja, ist der denn gar nicht enttäuscht? Enttäuschung muss nicht in der Verantwortung des Enttäuschers liegen, sie kann auch durch falsche Erwartungen des Enttäuschten hervorgerufen sein.
Wer in Zukunft politisch agieren will, ist auf Bündnisse mit Andersdenkenden angewiesen. Jedenfalls, wenn er oder sie zu Lebzeiten das eine oder andere politische Ziel erreichen will. Das wird in Deutschland und den meisten anderen europäischen Ländern ohne die Sozialdemokratie (noch) nicht möglich sein. Das ist in aller Schlichtheit auch Schumanns (richtige) Einsicht.
Bei mir erzeugt es Respekt, wenn ich Bundesministerin Nahles z.Z. beim Bohren der dicken Bretter verfolge. Ich habe wahrlich abweichende Ansichten, was die Wirtschafts- und Sozialpolitik, auch die Arbeitspolitik der jüngeren Vergangenheit betrifft. Es hat aber eine respektheischende Beharrlichkeit, wie Nahles in einer Koalition mit CDU/CSU die ihr wichtigen gesellschaftlichen Diskurse voran- und auch in den kommenden Bundestagswahlkampf hineintreibt. Da kann sich SigiPop die eine oder andere Scheibe von abschneiden. Und Grüne, die in Baden-Württemberg oder Bonn mit dem gleichen Koalitionspartner zusammenarbeiten, auch.
Wie jähzornig und geistlos es in diesem Positionskampf um die SPD mitunter zugeht, legte jetzt Schnelldenker und Noch-Schneller-Schreiber Gabor Steingart offen. Das kommt dabei raus, wenn man seinen Verstand nicht mehr im Zaume halten kann. Von mir bekommt das Handelsblatt kein Geld, darum bin ich und werde auch kein “Premium”-Leser dieses Wirtschaftselitenblattes, das Steingard in seiner Amtszeit als Chefredakteur und Herausgeber sicherlich “auf Trab” gebracht hat. In Sachen Martin Schulz (25.11.) sind ihm nun sämtliche Gäule durchgaloppiert. Durch derartige Charakterfehler scheiterte er schon daran, Spiegel-Chefredakteur zu werden. Der Carta-Kolumne des letzten Bonner-SPD-OB-Kandidaten, dessen Nachnamen ich mir noch nie korrekt merken konnte (die Schreibweise schon garnicht), verdanke ich immerhin den nützlichen Hinweis auf Steingarts neueste umgeworfene Bauklötze.
Wenn Ihnen nun schlechtgeworden ist von dieser Überdosis Verteidigung für die Sozialdemokratie, habe ich noch was für Sie. Matthias Greffrath, in den 90ern Chefredakteur der “Wochenpost” und in dieser Funktion Vorgänger von Matthias Döpfner, so können sich Lebenswege auseinander entwickeln) verantwortet aktuell im Deutschlandfunk eine Essay-Reihe zur aktuellen Rezeption von Karl Marx. Gestern wurde ich durch die Zeitschaltuhr an meinem Radio dabei wach und konnte vor lauter mit- und nachdenken nicht mehr einschlafen. Probieren Sies mal aus, ist gut für den Verstand (Mediathek anklicken).
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