von Kay Wilhelm Mähler
Wie konnte Trump diese Wahl gewinnen? Diese Frage stellen sich immer noch sehr viele Menschen. Zweifelsohne gibt es viele Gründe für seinen Sieg; und jeder für sich ist nicht einfach zu betrachten. Ein wichtiger Aspekt in der Kampagne von Trump war das Micro-Targeting. In einem Artikel, der von vielen Grünen geteilt wurde, wird nun ausgeführt, wie sich die Trump-Kampagne an dieser Methode bedient hat und wie sie funktioniert. Aber auch diese Erklärung ist nicht die einzige und vollumfängliche Erklärung für Trumps Sieg, wie schon andere Analysen festhalten. Der Artikel lässt sich aber auch nicht als „linke Verschwörungstheorie“ verharmlosen.
Ein wichtiger Teil des Micro-Targetings ist die Datenanalyse und -auswertung. Als Student der Wirtschaftsinformatik spezialisierte ich mich auf Business Intelligence (BI), also der Wissenschaft zur Analyse von großen Datenmengen, eben „Big Data“. Dabei ist die Erkenntnisgewinnung und Entscheidungsunterstützung das Ziel bei der Analyse und Auswertung großer Datenmengen. Big Data ist aber auch nicht per se was schlimmes: Auch das Präferenzwahlsystem ist ein Bereich von Big Data Analysen.
Ich entschied mich für diese Spezialisierung, weil mich die Kampagne von Obama beeindruckte – und zugleich auch schockierte. Denn anders als im Artikel beschrieben, ist nicht die Trump-Kampagne die erste gewesen, die Micro-Targeting und solch fragwürdige Methoden der Datensammlung und -auswertung einsetzte. Obama ist der eigentliche Pionier für den Einsatz von Big Data Analysemethoden und den daraus resultierenden Werbemethoden der gezielten Ansprache eines Menschen.
Brisant genug, wurde Obamas Methode erst nach dem Wahlkampf öffentlich – genau wie bei Trump. Sie wurde als die revolutionäre Methode des Wahlkampfes bezeichnet. Es sei das Ende von Massen-Flyern und Wahlwerbespots, der Anfang des wirklich persönlichen Wahlkampfes, das buhlen um jede Stimme – aber das eben vollkommen effizient und automatisiert. Die Gefahren wurden dabei ebenso deutlich, nicht nur für die Demokratie.
Und auch schon da stellte sich die Frage: Was ist, wenn gefährliche Kräfte von dieser Methode Gebrauch machen?
Und natürlich wurde die Methode weiterentwickelt.
Auch Clinton nutzte das Micro-Targeting, um für Wähler*innenstimmen zu werben.
Und so kam es, wie es kommen musste: Auch Trump nutzte das Micro-Targeting, um mithalten zu können – und um schließlich zu gewinnen.
Aber nur weil Trump gewonnen hat, macht es die Big Data Analyse im Wahlkampf schlimmer, als sie eh schon ist?
Sie war auch vorher schon „schlimm“, egal ob sie dem politischen Gegner zum Sieg verholfen hat oder nicht. Denn neben der direkten Beeinflussung und Manipulation des*der einzigen Wähler*in auf sein*ihr Wahlverhalten, wird auch der Datenschutz im großen Stil ignoriert und missachtet. Beide waren übrigens keine großen Fans vom Datenschutz.
In diesem Zusammenhang sind die sozialen Netzwerke eben das Problematische. Kritisch ist in diesem Kontext nicht, dass die Menschen ihre Daten preisgeben, sondern wie es sein kann, dass die Daten eben solchen Analyseunternehmen zur Verfügung stehen. Die sozialen Netzwerke müssen ihre Nutzer*innen besser vor solchen Analysen schützen. Sowohl auf dem juristischen als auch auf dem technischen Wege. Aber die Profite für die sozialen Netzwerke sind eben noch zu hoch, um selbst Initiative zu ergreifen. Von ethischen Grundwerten ganz zu schweigen.
Soll man nun als Partei eben auf den Zug mit aufspringen, bevor es die Rechten tun? Oder auch dann, wenn es die Rechten schon tun? Immerhin ziehen sie ja schon Social Bots in Betracht. Es gilt immerhin auch, erkämpfte Werte zu schützen und gar auszubauen. Wahlkämpfe sind im Grunde auch nichts anderes als wirtschaftliche Wettbewerbe, in denen durch die Nutzung neuer Werkzeuge Wettbewerbsvorteile erlangt und verringert werden sollen. Aber diese Situation zeigt eben auch, wohin uns das führt.
Eine solche Entwicklung gab es bereits. Während sich in den Anfängen der sozialen Netzwerke vor allem linke Kräfte geweigert haben, Facebook als Kommunikationswerkzeug zu nutzen, ist es heute nicht mehr wegzudenken. Aber wie ist es mit manipulativen Werkzeugen?
Bisher lehnen die meisten Parteien die Nutzung von Social Bots ab. Was das Micro-Targeting angeht, sind die Hemmungen aber nicht mehr so groß. So begleitete und beobachtete die SPD die Methoden von Obama im Wahlkampf und engagierte sogar selbst einen Daten-Strategen von Obama.
Auch die Grünen sind aufgesprungen. So luden die Grünen in NRW zu ihrer Wahlkampfwerkstatt einen Kampagnenexperten von Obama ein (eben dieser Experte bat bei einem anderen Vortrag Datenschützer*innen nach draußen). Man will von Obamas Erfolg lernen. Den angeblich so vorbildlichen Methoden steht man dann auch unkritisch gegenüber. So bewegt man sich schon gerne im Grenzbereich des Möglichen, was die Datenschutz-Ethik und die Gesetze angeht. Projekte wie der Wahlatlas sind da nur ein Beleg für.
Als Wahlkampfmanager in Bonn bin ich natürlich froh über Daten, die es mir ermöglichen, meine knappen Ressourcen zielgerichtet und effizient einzusetzen. In solch einer Position ist man eben auch unter Druck, denn Ziel ist eben ein gutes Wahlergebnis und es lässt sich eben nicht von der Hand weisen, dass Potentialdaten hilfreich sind und zielgerichtete Ansprache das Ergebnis deutlich verbessert. Dennoch gibt es da den Konflikt in mir zwischen dem Kampf für ein gutes grünes Ergebnis und damit auch insgesamt Gutes zu tun, und eben den ethischen Problemen dieser Datenanalyse. Fakt ist jedoch: Micro-Targeting ist auch bei den Grünen angekommen. Und das wir in diesem Bereich nicht noch mehr machen, liegt nur an unseren begrenzten Mitteln. Es braucht definitiv einen kritischeren und bewussteren Umgang mit Daten im Wahlkampf – auf allen Ebenen.
Aber es gibt auch den anderen Weg: Die Aktivitäten anderer Parteien in diesem Bereich offen zu legen und zu kritisieren. Wann immer uns eine Nachricht persönlich erreicht, die unter Umständen aus dem Micro-Targeting stammen könnte, lohnt sich immer eine Anfrage nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz (Auskunftspflicht über Herkunft personenbezogener Daten, wie Namen oder Adressen). Diese Fragen müssen beantwortet werden und könnten durchaus die Wahlkampfmaschinerie enorm belasten. Außerdem könnten wir auch ganz einfach Aufklärungsarbeit leisten. Sensibilisierung sorgt für ein kritisches Verhalten und verhindert Manipulation.
Eins lässt sich aber mit Sicherheit sagen: Das Micro-Targeting aus den USA ist in Deutschland nur schwer möglich. Womöglich wird es auch nicht zu einer ganz persönlichen und zielgerichteten Ansprache kommen. Es gibt keine öffentlichen Wahlregister und auch gesetzlich gibt es viele Barrieren. Wer aber keine Skrupel hat und auch sonst nicht viel mit Datenschutz anfangen kann, der*die kann auch das Micro-Targeting perfektionieren und damit manipulativer werden, als es die sogenannte und verhasste „Lügenpresse“ je werden könnte.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 5.12. auf gispunk.de und wurde hier mit Erlaubnis des Verfassers übernommen.
Update 17.12.: kurz vor Weihnachten interviewte die taz Michal Kosinski, Psychologe und Forscher an der Stanford University, auf den in der schweizerischen “Magazin”-Reportage u.a. Bezug genommen worden war; Ergebnis: Entmystifizierung, aber nicht Verharmlosung.
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