Wer es sich einfach machen will, kann feststellen: der BVB ist im Stadion des Milliardärs Hopp in der Ortschaft Sinsheim verpfiffen worden. Einem Tor von “1899” ging ein klares Foul voraus; der Platzverweis gegen Reus war unberechtigt, weil der Zweikampf, was Foulspiel betraf, mindestens ein Unentschieden darstellte. Dennoch waren die BVB-Defizite klarer sichtbar als gegen Real Madrid.

In der Abwehr fehlte ein Chef. Bartra kann diese Rolle (noch?) nicht spielen, der genesene Bender in seinem ersten Spiel auch nicht, so wenig wie Ginter mit dem nur sporadischen Vertrauen seines Trainers, heute, als er fehlte, merkte man deutlich wie wichtig Sokratis ist, ausserdem fehlte merklich (!) der erste Torwart Bürki. Stärkere Teams hätten heute mehr als zwei Tore gegen diese Abwehr gemacht.
Marco Reus, der Mannschaftskapitän nach langer Verletzungspause, war in dem zum Platzverweis führenden Zweikampf, trotz schon erfolgter Gelber Karte sichtbar übermotiviert. Er hätte nicht so, wie er es tat, da reingehen müssen und hat sich letztendlich wie ein 18- oder 19-jähriger in die Situation hineinprovozieren lassen. Für einen Spieler seines Alters und seiner Erfahrung trotz der Ungerechtigkeit des Schiris blamabel, ein Zeichen mangelhafter Reife. Dieser großartige Spieler bleibt eine rätselhafte Persönlichkeit.

Die Kunst des Hoffenheimer Trainers Nagelsmann scheint zu sein, aus eigentlich limitierten Fußballern ein starkes Team gebildet zu haben; immerhin sind sie bisher ungeschlagen. Dass sie in der 2. Halbzeit mit 11 gegen 10 keinen Sieg erspielt haben, bleibt dennoch ein schwaches Bild. Um den BVB-Strafraum konnten sie weitgehend ungestört kombinieren, die schwarz-gelben Gegenspieler waren meist 3-5 Meter entfernt; und dennoch gelang ihnen nicht das spielentscheidende Tor. Lediglich eine einzige Glanzparade von Weidenfehler war dafür erforderlich.

Die Loblieder auf das Spiel im Ticker von sportschau.de und im Kurzbericht des DLF kann ich allenfalls für die erste Halbzeit nachvollziehen. Ich sehe eher eine Seuche im in letzter Zeit schöngeredeten “Männerfussball”. Es geht auf die Knochen, wie im Eishockey oder im American Football, z.B. bei dem Foul, das Dembele, den stärksten BVBler zur Strecke brachte. Gelbe Karten werden zu wenig und vor allem zu spät gezückt. Mag sein, dass es ein männliches Sadistenpublikum gibt, das das gerne sieht. Ich gehöre nicht dazu und meine, dass das dem Spielniveau und seiner zukünftigen Entwicklung nicht guttut. Es ist unattraktiv, brutal und hässlich wie die AfD.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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