Wieder einmal sind die Verhandlungen zwischen der Lufthansa und der Pilotengewerkschaft “Cockpit” gescheitert. Piloten sind die wichtigste Lebensversicherung von Passagieren im Luftverkehr. Es mag noch so viele und ausgeklügelte elektronische Scherheitssysteme an Bord vor Flugzeugen geben – die entscheidenden Faktoren in kritischen Situationen sind und bleiben die Piloten. Sie allein können entscheiden, wenn zwei Staudruckmesser unterschiedliche Geschwindigkeiten des Jets melden, welcher möglicherweise vereist sein könnte. Sie können erkennen, wenn ein Flugzeug mit Autopilot auf der selben Luftstraße kreuzt, wo es ncht sein sollte. Piloten können sogar Flugzeuge landen, deren Triebwerke komplett ausgefallen sind, wie der Kapitän, der 2015 auf dem Hudson-River in New York landete und 155 Menschen rettete. Chelsey Sullenberger, der Kapitän der US-Airways-Maschine mit der Flugnummer 1549, verfügte nach US-Medienberichten über mehr als 40 Jahre Flugerfahrung und kam von der US-Luftwaffe.

Pilotinnen und Piloten sollen ausgeglichen, souverän, nervenstark und immer ausgeschlafen sein. Sie werden kostspielig ausgebildet, gut bezahlt, besser als viele andere Arbeitnehmer, weil sie unter Umständen mit 50 oder 55 ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Nicht wegen ihrer Fähigkeiten, sondern weil generell auch bei ihnen Reaktionsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und körperliche Fitness nachlassen können. Darüber entscheiden sie nicht selbst, sondern die fliegerärztliche Untersuchung. Hochqualifizierte Könner sollen deshalb nicht zum Sicherheitsrisiko werden, sondern ggf. ohne Existenzängste in den vorläufigen oder endgültigen Ruhestand wechseln können. Pilotinnen und Piloten werden auch gut bezahlt, weil sie sicher leben und frei von privaten Sorgen leben sollen, denn ein Flieger unter Stress und mit Existenzängsten im Cockpit ist ein Sicherheitsrisiko. Das gilt auch für jeglichen Umgang mit legalen und illegalen Drogen.

Strenge Qualitätsanforderungen

Noch in den 70er Jahren unterlagen Lufthansa-Piloten wiecdie anderer Airlines strengen Auswahlkriterien. Ihre Ausbildung wurde vom Arbeitgeber bezahlt, auch ggf. die Umschulung vom Kampfjet zum Passagierdampfer bei “Quereinsteigern” von der Bundeswehr. Sichere Arbeitsplätze und eine solide Altersversorgung schafften Sicherheit für Generationen von Piloten und senkten die Absturzzahlen. Heute ist das anders. Auch die Lufthansa wälzt die hohen Ausbildungskosten auf die Pilotinnen und Piloten ab, die quasi zwangsweise Kredite aufnehmen müssen und holt sich über Knebelverträge der angestellten Piloten die etwa 250.000 EUR einer Ausbildung zurück. Was das für junge Piloten bedeutet, die möglicherweise kurz nach ihrer Arbeitsaufnahme in Probleme kommen, macht die Biografie des Unglückspiloten der Germanwings-Maschine von 2015 deutlich. Vielleicht wäre er anders mit seinen psychischen Problemen umgegangen, hätte er nicht befürchten müssen, seine horrenden Ausbildungskosten zurück zahlen zu müssen.

Angebliche “Privilegien” der Piloten

Mein Vater, einst Versuchspilot, würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er so etwas hören müsste. Sein Wahlspruch war: “Egal, was und warum Du fliegst, Du musst frei von Ängsten und völlig unbefangen sein, um die Kontrolle zu behalten.” Die Lufthansa geriert sich seit drei Tarifkämpfen als Klassenkämpferin von oben gegen angebliche “Privilegien” der Piloten, die mit Berufen verglichen werden, die nicht vergleichbar sind. Ryanair und andere Billigflieger interessiert das alles noch viel weniger. Sie beschäftigen Pilotinnen und Piloten in sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen als Scheinselbständige. Diese werden gezwungen, ihre Arbeitskraft ohne jede soziale Sicherung anzubieten. Schlimmer noch: Werden sie krank, sollen sie die Fehlzeiten auch noch nacharbeiten, sonst müssen sie mit Leistungskürzungen rechnen.

Piloten behandelt wie Paketboten

Nicht nur, dass statt Pilotenbesoldung Verträge mit Scheinselbständigen geschlossen werden, Airlines, die so mit Pilotinnen und Piloten umgehen, legen es darauf an, das Risiko durch die Decke der Flugzeugzelle zu treiben. Die überwiegende Mehrzahl der Flugzeugunglücke der letzten 10 Jahre ist Statistiken zufolge auf Pilotenfehler und menschliches Versagen zurück zu führen. Ryanair ist eine Ausbeutungsmaschinerie, die ihre Kunden schlecht behandelt, indem Abfertigung und Service zur Qual werden, Flugbegleiter und Pilotinnen mies bezahlt oder als Scheinselbständige beschäftigt und keine Hemmungen kennt, die Kosten für Flüge so weit zu kürzen, dass es früher oder später auch Abstriche am der Wartung und Verschleißkontrolle des fliegenden Materials gibt.

Risiko unkalkulierbar

Wer mit einer solchen Airlines fliegt, schadet nicht nur sich selbst, sondem nimmt Risiken auf sich, die früher oder später zur Katastrophe führen können. Und zwar nicht nur bei den Billigfliegern selbst, sondern auch bei den Wettbewerbern, die auf den absurden Preiskampf der Airlines eingehen müssen. Die NASA hat es vorgemacht: Weil das Space Shuttle um jeden Preis profitabel sein wollte, um einen Sionagesatelliten für den Geheimdienst in die Umlaufbahn zu befördern, wurde die “Challenger” gestartet, obwohl bekannt war, dass die Dichtungsringe der Booster-Raketen bei Kälte Probleme machen. Aber das ist die technische Seite:

Moderne Sklavenhalter

Wer weiss, wie Ryanair seine Mitarbeiter behandelt, sollte sich gut überlegen, hier einzusteigen. Denn wenn er oder sie nur ein bißchen denken kann, sollte auffallen, dass solche frühkapitalistischen Arbeitsverhältnisse des vorletzten Jahrhunderts früher oder später uns alle betreffen werden. Das Geschäftsmodell von Ryanair ist ein typisches Ausbeutungsmodell Marke Schweinesystem.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net