von Andreas Zumach
Müssen Tiere beim betäubungslosen Schlachten unnötig leiden? Die Schweiz debattiert ein Importverbot für koscheres und Halal-Fleisch.
Sommerloch? Keineswegs. Die Schweiz debattiert in der nachrichtenarmen Zeit erregt ein Importverbot für geschächtetes Fleisch. Betroffen von einem Verbot wären die rund 18.000 Juden und 320.000 Muslime im Land. Sie sind auf die Einfuhr von koscherem und Halal-Fleisch aus dem Ausland angewiesen, da Schächten, das betäubungslose Schlachten von Tieren, in der Schweiz seit 1893 verboten ist.
Auslöser der Debatte ist ein mit „Koscheres Fleisch soll in der Schweiz verboten werden“ überschriebener Artikel des Zürcher Tagesanzeiger über einen Nationalratsbeschluss vom Juni. Darin beauftragte es den Bundesrat, also die Regierung, „unter Berücksichtigung internationaler Verpflichtungen, ein Importverbot für tierquälerisch erzeugte Produkte zu erlassen“.
Der Antragsteller, der sozialdemokratische Abgeordnete Matthias Aebischer, nannte in der Begründung lediglich Froschschenkel, Pelze und Gänsestopfleber. Das führte damals kurzzeitig zu einem Sturm der Entrüstung in der französischsprachigen Westschweiz, wo die „Foie gras“ beliebt ist.
Als Beleg für seine Schlagzeile zitierte der Tagesanzeiger nun die Präsidentin der Tierschutzvereinigung „Alliance Animale“, Katharina Büttiker. Sie sagte, es stehe „außer Frage, dass Halal- und Schächt-Fleisch zu den tierquälerisch hergestellten Produkten zählen, deren Import verboten werden muss.“
Importverbot verstösst gegen WTO-Regeln
Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen verweist hingegen auf einen Passus des Parlamentsbeschlusses, wonach „die internationalen Verpflichtungen der Schweiz berücksichtigt werden“ müssen. Erst 2016 hatte der Bundesrat festgestellt, “dass Importverbote für islamisches Halal- oder jüdisches Schächt-Fleisch im Prinzip gegen das Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) verstoßen, sofern sie nicht sanitätspolizeilich begründet sind“.
Die allererste Volksinitiative in der Schweiz hatte bereits 1893 das Schächtverbot in der Verfassung verankert. Die Initiative war von Tierschützern lanciert worden, die Abstimmungsdebatte war jedoch antisemitisch geprägt: Es ging vor allem um den Widerstand gegen die Immigration von Juden.
Inzwischen ist das Verbot aus der Verfassung gestrichen, dafür 1978 im Tierschutzgesetz aufgenommen worden. Es sieht vor, dass trotz Schächtverbot die Einfuhr von Koscher- und Halal-Fleisch erlaubt bleibt, „um eine ausreichende Versorgung der jüdischen und der islamischen Gemeinschaft mit solchem Fleisch sicherzustellen“.
2016 wurden 140 Tonnen koscheres Fleisch und 512 Tonnen Halal-Fleisch in die Schweiz importiert. Seit 2001 scheiterten bereits zwei Volksinitiativen mit dem Ziel eines Importverbots.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.
Anm. d. Red.: 80% der Schweizer*innen wissen nicht von der Schweizer Massentierhaltung. Hierzulande übersteigt die Nachfrage nach Ökoqualität bei weitem das Angebot.
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