von Rainer Bohnet
Vor jeder Wahl werden wir ständig genervt. Wahlumfragen flimmern auf jedem Bildschirm, erzeugen Jubel, Frust, Unsicherheit, Ängste, Unverständnis. Am Wahlabend stellt man dann ernüchternd fest, dass die Wahlanalysen oftmals für “die Tonne” waren. Denn der Souverän, der Wähler bzw. die Wählerin hat anders entschieden, als es die Prognosen vorausgesagt hatten.
Also kann man Wahlumfragen eigentlich abschaffen. Denn ihr praktischer Nutzen für die Demokratie ist zweifelhaft. Vor allem die Unsicherheit wird durch sie gefördert. Sollte z.B. die Partei, die man beabsichtigt zu wählen, in den Umfragen einen beruhigenden Vorsprung haben, denkt man zwangsläufig, ob man überhaupt ins Wahllokal laufen soll. Und in den Parteizentralen werden u.U. gezielte Kurzfrist-Kampagnen gestartet, die das prognostizierte Desaster verhindern sollen.
Die Forderung nach Abschaffung der Wahlumfragen ist ambivalent. Erfüllen solche Umfragen nicht das grundlegende Informationsbedürfnis der Bevölkerung oder dienen sie den Parteien eher für ihre politischen Wahlkampfstrategien? Braucht die Demokratie solche “Krücken”, die u.U. Hilfestellung bei Wahlentscheidungen geben können? Sind die Wahlbürger*innen so mündig und kompetent, auch ohne assistierende Prozenthinweise eine Entscheidung zu treffen?
Ich bevorzuge durchaus mal ein Experiment, vor allem dann, wenn man wichtige Fragen nicht glasklar beantworten kann. Deshalb schlage ich vor, den Verzicht auf Wahlumfragen bei einer der nächsten Wahlen auszuprobieren.
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