von Rainer Bohnet

Die Proteste im Iran beunruhigen. Die einst fünftgrößte Militärmacht der Welt ist in Unruhe. Ein Regime zwischen Tradition und Moderne steht am Scheideweg. Bisher war der Iran in der gesamten Nah-Ost-Region stabilisierend. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Atomabkommens schien von dort keine akute Gefahr mehr auszugehen. Und man hoffte natürlich auch, dass die Feindschaft zwischen dem Iran und Israel und mit Saudi-Arabien nicht eskalieren würde.

Jetzt bricht die Revolte nicht außen- sondern innenpolitisch aus. Junge Menschen protestieren gegen die Wirtschaftspolitik und gegen die Restriktionen der Mächtigen. Welche Gefahren gehen von einer drohenden Destabilisierung des Irans aus?

Das Szenario ist komplex. Der innerstaatliche Mehltau und die Unfreiheit der Iranerinnen und Iraner ist für die Region und die Welt positiv, weil stabilisierend. Weiten sich die Proteste allerdings aus und führen sie sogar zu einer Revolution wäre das inneriranisch befreiend, außenpolitisch hingegen destabilisierend. Insbesondere weil der iranische Erzfeind Saudi-Arabien fest im Sattel sitzt.

Der Iran ist eine Jahrtausende alte Kulturnation, die in ihrer Geschichte niemals unter der Fuchtel einer anderen Macht stand. Daraus sollte das herrschende System die Kraft ziehen, im Inneren mehr Freiheiten zu gewähren. Insbesondere das in langen Verhandlungen erzielte Atomabkommen bietet die Chance zur Öffnung der Wirtschaft. Und warum sollte eine muslimische Nation nicht in Richtung Demokratie gehen?

Eigentlich geht es “nur” um Selbstverständlichkeiten. Wirtschaftlicher Wohlstand ist unabdingbar. Aber viel wichtiger ist die Aufbrechung der systembedingten und religiös begründeten Benachteiligung der iranischen Frauen sowie die Ächtung der Todesstrafe. Sind die Mullahs dazu fähig?

Die Zukunft des Irans ist für die Welt von großer Bedeutung. Deshalb sind die Demonstrationen gegen das herrschende Regime ein unüberhörbares Warnzeichen, das wir diplomatisch fördern sollten.

Update 1.1.2018: ein Bericht mit vorsichtigen Einschätzungen auf telepolis.de von Gerrit Wustmann.

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