von Rainer Bohnet
In den meisten deutschen Städten werden hohe Mieten, fehlende Sozialwohnungen und Ghettoisierung beklagt. Weite Bevölkerungsschichten können sich keine adäquaten Wohnungen leisten. Neben Menschen im unteren Segment der Gesellschaft trifft dies auch den Mittelstand. Die Ursache für diese Krise ist die Privatisierung des Wohnungsmarktes und die fehlende Einflussnahme der Kommunen. In Bonn verfügt die Stadt z.B. über sehr wenige eigene Grundstücke. Neben dem Wohnungsbau sind davon auch die Gewerbeflächen betroffen, von denen die Stadt Bonn so gut wie nichts in ihrem Immobilienportfolio hat.
“Ulm baut selbst,” schreibt die KONTEXT Wochenzeitung in ihrer Ausgabe vom 30. November 2017. Hoppla, denke ich. Kann es sein, dass die Stadt Ulm in Baden-Württemberg einen Weg gefunden hat, das Heft des Handelns nicht aus der Hand zu geben? So behält Ulm seit 125 Jahren ihren Grund und Boden. Sie kauft gezielt private Grundstücke auf, um dort gezielt öffentlich geförderte sowie Eigentumswohnungen zu bauen. Und das nicht nur an den Stadträndern, sondern auch in der City im Schatten des Ulmer Münsters.
Diese konsequente Bodenvorratspolitik ist beeindruckend. 45 Quadratkilometer, das sind 37 Prozent des Stadtgebiets, gehören der Kommune. Das ermöglicht ihr, ganz gezielt und planvoll eine gesunde Mischung von öffentlich geförderten Wohnungen und Eigentumswohnungen zu schaffen. Hierbei werden auch ehemalige Industrieflächen einbezogen. Die städtische Ulmer Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft (UWS) ist der Bauherr. Die weitgehende Privatisierung des Wohnungsmarktes hat den Spekulanten und Finanzhaien Tür und Tor geöffnet. Wohnungsbau gehört allerdings zur Daseinsvorsorge und darf deshalb nicht privatisiert werden.
Rund 40 Prozent ihres Nettoeinkommens geben deutsche Mieter im Durchschnitt für ihre Kaltmieten aus. Das hat die Hans-Böckler-Stiftung für alle 77 Großstädte in Deutschland ermittelt. Dieser Wert ist gesellschaftspolitisch ungesund. Die Alternative wären Obdachlosigkeit oder der Umzug aufs platte Land. Normalverdiener und Studierende klagen über einen Verdrängungseffekt. Das hat Unmut und Ausgrenzung zur Folge. Ulm hat mit seinen 120.000 Einwohnern hat einen Weg gefunden, den sich Bonn und andere Städte zum Vorbild nehmen sollten. Denn die Kommunen müssen handlungsfähig werden, um ihren Bürgerinnen und Bürgern eine bezahlbare Heimstatt garantieren zu können.
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