Wem es bisher noch nicht klar war, dass gentechnisch verändertes Saatgut nicht dazu dienen soll, die Menschheit besser zu ernähren, sondern den Beruf des freien Bauern abzuschaffen und Landwirte zu abhängigen Sklaven der Chemieindustrie zu machen, dem kann die WDR Dokumentation unter dem Titel “die Saat der Gier” über die Hintergründe der geplanten Übernahme von Monsanto durch die Bayer AG die Augen öffenen. Mit ungewohnt tiefen Einblicken in die Tätigkeit des US-Gentech-Giganten und die Folgen des jahrelangen Kampfes von Landwirten gegen Monsanto sowie sensiblen, menschlichen Annäherungen an den Vorstandsvorsitzenden Baumann, der unbeirrbar die Pläne verfolgt und dabei nicht zum abstoßenden Monster taugt, leistet die Dokumentationen einen Beitrag zur Aufklärung.
Zum Verständnis rein börsengetriebener Logik und ihrer im wahrsten Sinne des Wortes weltverändernden Macht im Zeitalter der globalen Digitalisierung. Selbst die Antagonisten von Bayer, hohenlohische Ökobauern, sind nur erfolgreich, weil sie global denken und agieren. Nur so konnten sie verhindern, dass Monsanto eine alte schwäbische Ökoschweinrasse gentechisch patentieren lassen wollte und helfen sie in Indien verschuldeten Bauern, die gar nicht verstehen können, warum das Saatgut, für das sie sich verschuldet haben, im zweiten Jahr nicht mehr keimt und immer neu gekauft werden muss.
Monokulturen drohnenüberwacht und GPS-gesteuert
Die Dokumentation macht auch klar, dass es dabei zu keinem Zeitpunkt etwa darum ging, wie Monsanto und Co. immer wieder behaupten, “die Menschheit zu ernähren”, nein, US-Monokulturen, auf denen nur noch Gentechnisch veränderte Pflanzen wachsen und alles andere mit Glyphosat (USA: “round up”) getötet wird, ob Pflanze oder Tier in aller Welt sind der feuchte Traum dieser Manager und Gierhälse. All dies geschieht automatisch GPS- und computergesteuert, von Drohnen überwacht und durch Bauern, die nur noch nach Anweisung Geräte bedienen und Flüssigkeiten einfüllen, die sie von Monsanto als “Rundum glücklich Angebot” vorgeschrieben bekommen. Wenn sich Resistenzen bei Unkräutern entwickeln, werden einfach die Dosierungen gesteigert und weitergemacht. Noch finden manche Farmer toll, dass sie nicht mehr pflügen müssen, aber wie ihr Ende auch in USA einmal aussehen könnte, zeigt die Doku am Beispiel Indien.
Wo sich die Bauern die Gensaat eigentlich gar nicht leisten können, werden sie von Monsanto gedrängt, sich für den ersten Kauf so hoch zu verschulden, dass sie im Folgejahr kein Saatgut mehr kaufen können. Es bleibt nur der Landverkauf und in vielen Fällen traditioneller Familien der Suizid des gescheiterten und so entehrten Familienoberhaupts. Der Ruf des US-Unternehmens ist in Südamerika und in Fernost bereits so ruiniert, dass nun der Name Bayer, den die Menschen mit Aspirin und anderen guten Heilmitteln identifizieren, künfig herhalten soll, um verbrecherische Geschäftsmodelle dieser Art weltweit fortsetzen zu können.
Die Entfremdung eines Konzerns von Region und Geschichte
Gut dazu passend und ebenso Pflicht, die Dokumentation über den Konzern Bayer, und seiner Geschichte seit dem 19. Jahrhundert, der ähnlich wie Krupp in Essen oder Daimler-Benz in Stuttgart mit viel Identifikation seiner Mitarbeiter und sozialem Engagement für die Region zum zum beliebten Arbeitgeber wurde. Die Rolle als Teil der IG Farben und die Nachkriegserfolge und Schattenseiten im Kampf gegen die aufkommende Umweltbewegung, Dünnsäureverklappung, aber auch regionales Engegement in Kommune, Kultur und Sport. Spannend wie aktuell der gezielte Umbau vom Unternehmen der Region zum anonymen, börsengetriebenen global Player, der meint, mit Monsanto fusionieren zu können, ohne Rücksicht auf Firmenphilosophie, die Menschen, die die Firma geprägt haben und die gewachsene Kultur, die systematisch abgestreift wird. Erfahrungen, wie sie Daimler mit Chrysler machen musste, nachdem Schrempp die “Welt AG” schuf und scheiterte, scheinen das heutige Bayer-Management nicht zu tangieren.
Zwei gute Beispiele, wie die Hybris von Konzernlenkern sich von Werten wie Demokratie, Menschlichkeit, Achtung vor Freiheit und Eigentum, selbst von der Ethik ehrbarer Kaufleute längst verabschiedet hat.
Ich habe mir den – sehenswerten – Film jetzt auch angesehen.
Bekannt war mir vorher schon, dass mit der Gentechnisierung und Patentierung des Saatgutes die Bauern enteignet und, ähnlich wie Drogenabhängige, abhängig vom Konzern gemacht werden.
Nicht so klar war mir, dass wenig überraschend in der aktuellen Digitalisierung, auch unbegrenzt Bodendaten gestohlen, gewonnen und angehäuft werden. Das rhetorische Getöse der Konzerne von der “Welternährung” lässt befürchten, dass es nicht nur um unbegrenztes Profitstreben, sondern auch um “Weltherrschaft” geht.
Da lohnt es sich dann auch, wie Du es bereits hervorgehoben hast, die Krawatte mal auszuziehen, und , anders als z.B. die Rüstungsindustrie,
http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/bomben-fuer-die-welt-100.html
sich Zeit für freundliche Interviews mit Journalisten, auch und gerade mit kritischen, zu nehmen.