Der wackere Willi Winkler (SZ), der vor einigen Wochen an einen grösseren Karton voller alter BND-Akten gekommen ist, erzählte heute eine weitere Geschichte aus diesem Bestand. Sie wirkt vordergründig wie eine Agentenschnurre aus alter Zeit, könnte aber mit ihrer politischen Substanz den Nagel nicht aktueller auf den Kopf treffen.

Nachdem sich die hiesige Öffentlichkeit soeben über das Kidnapping eines vietnamesischen Geschäftsmanns durch seine Regierung erregt hat, erzählt Winkler von einem deutschen Raketenexperten, den sich 1963 der israelische Geheimdienst Mossad geholt hat. Die politische Geschichte hinter dieser Räuberpistole ist, dass Deutschland sich schon damals in den 60ern mit Mordwaffen- und Technologieverkauf an beide Seiten des Nahostkonflikts bereichert hat.

Das bestätigt, was Andreas Zumach hier soeben kommentierte: unabhängig von Zusammensetzung und Koalitionen zur Bildung einer Bundesregierung: Deutschland wollte und will beim Morden immer dabei sein – jedenfalls beim Mitverdienen daran, und beim Füsse in die Tür der jeweiligen Weltregion stellen. Wer beim Geschäftemachen auf beide Seiten setzt, ist auf jeden Fall immer auf der Siegerseite. Dass dabei meistens Menschen umkommen, oftmals ziemlich viele, ist bedauerlich – aber das wäre ja alles auch passiert, wenn “wir” uns da ganz rausgehalten hätten. Dann kämen “wir” aber auch beim anschliessend ökonomisch extrem attraktiven Wiederaufbau nicht mehr richtig rein.

Ohne das in unserer Öffentlichkeit übertrieben auszubreiten und zu diskutieren, definieren so kleine herrschende Zirkel, was “unsere Interessen” sind, und verfolgen sie aggressiv. Was daraus wird, müssen wir jetzt studieren, nachdem der IS, der bisherige gemeinsame Feind (ALexander Kluge: “Der Besitz eines Feindes ….“) angeblich im militärischen Feld besiegt ist, und die Trump-geführten USA ihr Interesse an ordnender Einmischung stark reduziert haben, entsteht eine gefährliche immer schwerer beherrschbare Konfliktdynamik – eine reine Freude für autokratische, handlungsfähige Herrscher, und ein Desaster für liberale bürgerlich-“marktkonforme” (Zitat Merkel) Demokratien, die vollauf damit ausgelastet sind, in der EU (und in Deutschlands Regierungsbildung) zu definieren, was sie jetzt eigentlich wollen.

Innenpolitisch wichtig: jetzt bloss nicht zu viel Wind und Aufregung. Ein Teil davon könnte die Bevölkerung beunruhigen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net