USA verschärfen Sanktionsdrohungen gegen europäische Firmen – Weltweit fast einhellige Kritik am Ausstieg der USA aus dem Abkommen – Zustimmung nur in Israel und Saudiarabien
Nach dem am Dienstagabend von Präsident Donald Trump angekündigten Rückzug der USA aus dem Nuklearabkommens mit Iran und der Wiedereinsetzung umfassender Sanktionen gegen Teheran macht die dortige Regierung ihre weitere Bindung an das Abkommen von der Haltung der fünf anderen Vertragsstaaten Rußland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland abhängig. Am kommenden Montag wollen die Außenminister der drei EU-Staaten in Brüssel mit ihrem iranischen Amtskollegen zusammentreffen. Die Entscheidung Trumps zum Rückzug aus dem Abkommen stieß fast weltweit auf scharfe Kritik und wurde auch in Deutschland parteiübergreifend verurteilt. Unterstützung erhielt Trump lediglich aus Israel und Saudiarabien.
„Wir müssen in den nächsten Wochen sehen, wie es ohne die USA mit dem Abkommen weitergehen kann, wir wollen die Umsetzung des Abkommens, nur auf Papier reicht uns nicht”, erklärte der als gemäßigt geltende iranische Präsident Hassan Ruhani. Falls die Konsultationen mit dem restlichen Quintett scheitern sollten, werde der Iran sein Atomprogramm und die Urananreicherung wieder unbegrenzt aufnehmen, warnte Ruhani. Dies sei mit der iranischen Atomorganisation auch bereits koordiniert worden.
Außenminister Mohamed Dschawad Sarif schrieb am Mittwochmorgen auf Twitter, bei den Konsultationen, zu denen er am Montag zunächst in Brüssel mit seinen drei Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland zusammenkommt, gehe es „in erster Linie um die vertragsgerechte Umsetzung des Abkommens“. Es müsse „versichert werden, dass der Iran voll und ganz von den wirtschaftlichen Vorteilen des Abkommens profitieren kann“, teilte Sarif mit.
“Erhalt wirtschaftlicher Vorteile für das iranische Volk”
Zwar hatten die Regierungen in Moskau, Peking, Paris, London und Berlin unmittelbar nach der Rede Trumps ihre Absicht bekräftigt, an dem Abkommen mit Teheran festzuhalten. Das schließe “den Erhalt von wirtschaftlichen Vorteilen” der Vereinbarung “für das iranische Volk ein”, betonten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die britischen Preministerin Theresa May und Bundeskanzlerein Angela Merkel in einer gemeinsamen Erklärung, in der sie „Bedauern und Sorge“ über Trumps Entscheidung äußern. Schon vor Trumps Iran-Rede hatte die EU-Kommission mitgeteilt, sie bereite zusammen mit dem Iran Maßnahmen zum Schutz europäischer Unternehmen vor.
Doch über die Verläßlichkeit dieser Zusagen bestehen in Teheran Zweifel, zumal die Trump-Adminsitration versucht, die anderen fünf Vertragsstaaten ebenfalls zum Abbruch von Wirtschaftsbeziehungen mit Iran und zur erneuten Verhängung der seit Frühjahr 2016 ausgesetzten Sanktionen gegen Teheran zu nötigen. Der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, forderte bereits wenige Stunden nach der gestrigen Rede Trumps, als Konsequenz aus den wiederverhängten US-Sanktionen sollten deutsche Unternehmen ihre Geschäfte im Iran “sofort” herunterfahren. Trumps Sicherheitsberater John Bolton gab in Washington bekannt, dass die Strafmaßnahmen “ab sofort” für alle Neuverträge gelten würden. Ausländische Firmen, die bereits im Iran seien, hätten drei bis sechs Monate Zeit, um das Land zu verlassen. Ansonsten werde ihnen der Zugang zum US-Markt verwehrt. US-Finanzminister Steven Mnuchin machte klar, dass auch europäische Firmen betroffen sein könnten, wenn sie weiter mit dem Iran Geschäfte machten.
Irans Scharfmacher triumphieren
Irans Präsident Ruhani und Außenminister Sarif stehen nach der Entscheidung Trumps unter wachsendem Druck der Hardliner in Teheran, die von Beginn an gegen das Nuklearabkommen waren. Der Chef der einflussreichen Revolutionsgarden, Generalmajor Mohammed Ali Dschafari, hält das Ende des Atomabkommens nach dem US-Ausstieg für praktisch besiegelt. Die Europäer seien „zu eng mit den Amerikanern verbunden, als dass sie eine unabhängige Entscheidung treffen könnten“, erklärte er laut der Nachrichtenagentur Fars News. Ähnlich äußerte sich Parlamentspräsident Ali Laridschani. Der iranische Armee-Chef Sejed Abdul Rahim Mussawi kritisierte Präsident Ruhani und Außenminister Sarif gegenüber der Nachrichtenagentur Isna für den „großen Fehler, sich überhaupt mit den USA hingesetzt und das Nuklearabkommen ausgehandelt zu haben“. Dies habe „große Schaden verursacht“.
Die Kritik an Trumps Entscheidung in den anderen fünf Vertragsstaaten des Abkommens war einhellig. Das russische Außenministerium reagierte “mit großer Enttäuschung” auf Trumps Entscheidung. Die regierungsnahe chinesiche Tageszeitung “China Daily” sprach am Mittwoch von “einer Bedrohung für die Weltordnung”. Wenn der Iran-Deal auseinanderfallen sollte, könnte das auch Hoffnungen für eine Lösung ähnlicher Krisen und Verhandlungen wie über den Atomkonflikt mit Nordkorea einen Schlag versetzen.
Indem die USA einseitig ein multilaterales Abkommen aufkündigten, gäben sie ein “sehr schlechtes Beispiel”. “In einer Welt der gegenseitigen Abhängigkeiten ist kein Raum für reinen Egoismus”, schrieb die Zeitung. “Wenn Trumps Amerika-Zuerst-Doktrin bedeutet, dass die USA ihre eigenen Interessen auf Kosten anderer Länder verfolgen, werden die USA früher oder später zunehmend isoliert auf der Weltbühne dastehen.” Das Nuklearabkommen sei „wichtig für unsere gemeinsame Sicherheit“, deshalb habe der Ausstieg der USA „Bedauern und Sorge” ausgelöst, heißt es in der gemeinsamen Erklärung des EU-Trios. Auch die Türkei, NATO-Partner der USA sowie die politisch mit den USA eng verbündeten Staaten Australien und Japan kritisierten Trumps Entscheidung.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief die übrigen Unterzeichnerstaaten des Abkommens dazu auf, ihre Verpflichtungen einzuhalten.
In den USA sprach Ex-US-Präsident Barack Obama, unter dessen Regierung das Abkommen ausgearbeitet worden war, von einer “fehlgeleiteten” Entscheidung und einem “schwerwiegenden Fehler” seines Nachfolgers. Ähnlich äußerten sich führende Demokraten im US-Kongreß.
Netanjahu lobt – drängen Israel und Saudis zum Krieg?
Israels Premieminister Benjamin Netanjahu hingegen lobte Trumps Entscheidung als “historischen Schritt”. Das Abkommen unverändert zu lassen, wäre dagegen “ein Rezept für eine Katastrophe, eine Katastrophe für unsere Region, eine Katastrophe für den Frieden der Welt” gewesen. In den israelischen Medien stieß Trump neben überwiegender Zustimmung jedoch auch auf Kritik. “Der Rückzug der USA aus dem Abkommen erhöht die Gefahr einer Konfrontation in der Region“ kommentierte die Zeitung „Ha aretz“. Die Tatsache, dass Regierungschef Netanjahu öffentlich gegen das Iran-Abkommen vorgeht, könnte „den Eindruck erwecken, dass Israel die Welt zu einem Krieg drängt. Der Ministerpräsident denkt vielleicht, die Israelis sollten Trump dankbar sein, aber gegenwärtig gefährdet der Ausstieg der USA die Welt und bedroht Israel.“
Die vom Regime in Riad kontrollierte saudische Zeitung “Arab News” forderte, „die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump sollte Applaus erhalten und unterstützt, nicht kritisiert werden“. Trumps Entscheidung sei „definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, weil er die Sicherheit und Interessen der regionalen US-Verbündeten an die erste Stelle rückt – etwas, was von seinem irregeleiteten Vorgänger Barack Obama umstrittenerweise ignoriert wurde“.
CDU sieht “Spaltung des Westens”, Grüner atomares Wettrüsten in Nahost
In Deutschland reagierten Politiker von Regierung und Opposition sowie Sicherheitsexperten mit deutlicher Kritik auf Trumps Entscheidung. Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, bezeichnete die Entscheidung gegenüber dem MDR als falsch und erklärte: “Wir haben als Deutsche keine Erkenntnisse, dass der Iran gegen dieses Abkommen verstößt. Und deswegen sind wir der Meinung, man sollte unbedingt an dem Abkommen festhalten und werden das als europäische Seite auch tun.“ Hardts Fraktionskollege Roderich Kiesewetter warf den USA in einem Interview mit dem SWR vor, mit ihrem Ausstieg aus dem Iran-Abkommen den Westen zu spalten. “Wir stehen am Vorabend einer krisenhaften Entwicklung, die USA werden nur von Israel und Saudi-Arabien unterstützt. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht am Vorabend einer kriegerischen Entwicklung stehen”.
Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, warnte vor einem atomaren Wettrüsten im Nahen Osten. Im Inforadio vom rbb sagte Nouripour am Mittwoch, man müsse “nur eins und eins zusammenzählen, um zu sehen, was passiert”, wenn das Abkommen mit dem Iran nach dem Austieg der USA nicht doch noch gerettet werden kann. Das werde „dazu führen, dass die Iraner ihre Zentrifugen weiter hochfahren. Das wird dazu führen, dass die Inspektionen zurückgefahren werden. Das ist der schnellste Weg des Irans zu einer Bombe“. Man könne „jetzt schon sehen und zugucken, wie andere Staaten in der Region auch eine Bombe haben wollen”.
Das Verhalten der USA sei “unverzeihlich”, so Nouripour. Trump schiebe die Europäer „in eine Situation, in der wir die Wahl haben, auf der einen Seite zu verhindern, dass unsere Nachbarregion mit immer mehr Staaten versehen ist, die Atomwaffen haben. Und auf der anderen Seite proaktiv versuchen müssen, amerikanische Politik zu unterwandern.”
Kritik zu Trumps Entscheidung äußerten auch Politikerinnen von Linkspartei und FDP sowie der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger und der Direktor der Stifttung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes.
Dieser Beitrag erscheint – gekürzt – auch bei taz.de, hier mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.
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