Dass ich noch eine Massendemonstration gegen ein Landspolizeigesetz erlebe … Die CSU kann beruhigt sein: zum zu erwartenden Landtagswahlergebnis in Bayern sagt das nichts aus. Wohl aber über eine erfreuliche öffentliche Diskursmobilisierung und -verschiebung.
Lange wurde beklagt, dass die Nerds der digitalen Netzgemeinde den Arsch nicht hochkriegen, um mal aus ihrem Computerkeller ins Tageslicht hochzuklettern. Das stimmt schon länger nicht mehr. Dass Klicks auf Onlinepetitionen politisch wenig bewirken und demokratisches Engagement im analogen Leben nicht ersetzen, das wissen mittlerweile fast alle. Zeitweise schien das Resignation im humanistischen Teil unserer Gesellschaft zu vertiefen.
Diese Wahrnehmung ist aber falsch. Die Mehrheit der Menschenfreund*inn*e*n unter uns ist auf der Suche nach den geeigneten Orten und Plätzen für ihre Engagementbereitschaft. Parteien und Grossorganisationen sind aus dieser Konkurrenz schon länger ausgeschieden. Obwohl: ich dachte jüngst selbst darüber nach, dass mir der Chef einer undemokratischen Grossorganisation mit Sitz in Rom, aus der ich 1987 ausgetreten war, heute politisch näher steht, als der Oberbürgermeister von Tübingen, der der gleichen Partei angehört wie ich. So kann sich das Leben und unsere Sicht darauf ändern.
Es gibt viele Menschen, denen es derzeit ähnlich geht (die genannten Organisationen sind dabei beliebig durch andere austauschbar). Wenn alles so gut zusammenkommt, wie gestern, dann stehen jetzt über 30.000 gegen ein Landespolizeigesetz auf.
Die Parteien, die selbst um organisationspolitisches und qualitatives Überleben und den letzten Respekt der Wähler*innen kämpfen müssen, waren jetzt, im Landtagswahlkampf in Bayern, auf den TV-Bildern fett vertreten. Understatement wäre wohl zuviel verlangt. Es wäre noch klüger von ihnen, wenn sie diesen Einsatz ihrer Ressourcenprivilegien für Bürger*innen*bewegungen auch ausserhalb von Wahlkämpfen zeigen würden. Naja, immerhin ist ja fast immer irgendein Wahlkampf. Eine Demokratie hat doch Vorteile.
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