Die “Zeit” hat in der vergangenen Woche einen skandalösen Schritt aus dem konsensual geglaubten linksliberalen Diskurs heraus beschritten: Sie diskutierte die Frage kontrovers, ob man private Seenotrettung auf dem Mittelmeer fördern oder in Frage stellen dürfe. Seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts kennt das internationale Seerecht nur eine einzige Antwort darauf: Schiffbrüchigen ist zu helfen! Selbst mitten im mörderischen 2. Weltkrieg haben U-Boot-Kommandanten Schiffbrüchige versenkter Gegner aufgenommen und umgekehrt. Dies nicht zu tun, wurde zumindest von den alliierten Siegermächten als Kriegsverbrechen bezeichnet und gebrandmarkt.
In kapitalistischen Friedens- und Überflusszeiten ist der populistische Mitteleuropäer der Meinung, dass dieses Mindestmaß von Menschlichkeit nicht mehr gelten solle, da es ja afrikanische Armutsflüchtlinge auf seinen Flachbildschirm, seine Chipsfrisch, Bier, österreichischen Kaiserschmarrn, ungarisches Gulasch, den Opel oder die C-Klasse und möglicherweise noch auf seine Frau abgesehen haben könnten. Horst Seehofer stellt sich an die Spitze dieser Bewegung, indem er in Malta rechtswidrig Schiffe festsetzen lässt und, damit die Öffentlichkeit auch nichts mehr mitbekommt, ein humanitäres Aufklärungsflugzug gleich dazu.
Der stellvertretende Chefredakteur Bernd Ulrich hat nun den Urlaub seines Chefredakteurs Giovanni Di Lorenzo genutzt, um sich mit 15 interessanten Thesen zur Flüchtlingspolitik zu melden, die verblüffende Tatsachen gelassen aussprechen und es verdienen, nicht hinter einer Bezahlschranke zu verschwinden. Chapeau, lieber Bernd Ulrich!
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