Seit etwa vier Jahren war offensichtlich und für die, die genau hingeschaut haben, klar erkennbar, dass die AfD eine Art “fünfte Kolonne” der Neonazis ist. Seit die rechtsextremistischen Kräfte den naiven Euro-Neurotiker Lucke als Vorsitzenden gestürzt und weggemobbt hatten, war der Kurs der AfD immer klarer ersichtlich. Wer wie Frauke Petry von der Absicht schwafelte, den Begriff “völkisch” – in der Weimarer Republik das Markenzeichen der NSDAP – wieder hoffähig machen zu wollen, wer mit PEGIDA demonstrierte und deren Übergriffe und Straftaten achselzuckend und zynisch als “Reaktion auf Merkels Politik” verharmloste, wie der Vositzende Gauland, der hat erkennbar das Feld bestellt, das in den sechziger und siebziger Jahren die NPD und die “Republikaner” beackert hat. Wer mit Le Pen und anderen Rechtsextremen gemeinsame Sache im Europäischen Parlament machte, konnte doch niemanden überraschen. Nun plötzlich wollen CSU, Teile der CDU und SPD aufgewacht sein und fordern die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz? Lächerlich.
AfD nach Lucke erkennbar “Fünfte Kolonne” des Rechtsextremismus
Seit 2015 war deutlich zu erkennen, dass sich die AfD zum Sammelbecken der Rechtsextremisten der Republik entwickelte. Die Straftäter, die bei den “PEGIDA”-Demonstrationen ungestraft stundenlang Galgen umher tragen konnten, die Sprüche von Gauland, man wolle das politische Spektrum nach rechts verschieben, die Regierung und insbesondere Angela Merkel “jagen” – was manche Neonazis als Ermunterung betrachten mussten, dass ihr “parlamentarischer Arm” Hetzjagden auf Flüchtlinge und Andersdenkende nicht verurteilen, sondern lediglich zynisch als Folge einer Politik bezeichnen würde, die Verfassung und Rechte achtet – wie es Gauland angesichts der Straftaten von Chemnitz wiederholt getan hat. Oder Alice Weidel, die mit ihren Sprüchen im Bundestag rassistische Stimmung gegen “Messermänner und Kopftuchmädchen” gemacht hat. Und nun soll der “Verfassungsschutz” mit seinem zweifelhaften Chef Maaßen die Lösung sein?
Ein Verfassungsschutz, der in der NSU-Affaire eine bis heute ungeklärte Rolle gespielt hat, dessen Verbindungen zum Attentäter Anis Amri nach wie vor ungeklärt sind? Ein Verfassungsschutz, der zu Beginn des Jahrtausends so viele V-Leute in der NPD hatte, dass das Bundesverfassungsgericht den ersten Verbotsantrag ablehnen musste, weil nicht mehr klar war, wer im NPD-Vorstand “echt” und wer V-Mann des Verfassungsschutzes war? Der seinen V-Leuten sechstellige Unsummen bezahlte, die erst den Aufbau rechtsextremistischer Strukturen ermöglichten, von denen die gesamte rechte Szene bis heute profitiert? Soll etwa ein Bundesamt für Verfassungsschutz nun auch die Subventionen von V-Leuten in der AfD fortsetzen? Nichts gegen eine sorgfältige politikwissenschaftliche Analyse und sorgfältige Recherche, die gemeinsame Strukturen und Vernetzungen zwischen AfD, PEGIDA, Identitärer Bewegung, dem sog. 3.Weg, Mitgliedern der verbotenen Combat 88 oder anderen rechtsextremistischen Zellen, Hooligans und der Rechtsextremen Musikszene beleuchtet. Aber ob die Verfassungschutzbehörden insbesondere im Osten und im Bund hierzu überhaupt intellektuell in der Lage sind, daran sind erhebliche Zweifel angebracht.
Rechtsextemismus als “Populismus” verharmlost und hofiert
Was die überwiegend hilflosen Forderungen aus Reihen der CDU, SPD und sogar der Grünen nach Überwachung jedoch im Kern wollen, ist ja als Grundgedanke nicht falsch: Man will nach den offensichtlichen Erkenntnissen von Chemnitz eine klare Unrechtserklärung über die AfD und PEGIDA aussprechen, um die vielen hunderten oder gar tausenden Mitläufer abzuschrecken oder zur Besinnung zu bringen, die bei PEGIDA und den Hetzaufmärschen des vergangenen Wochenendes mitgelaufen sind. Und die, die meinen, AfD zu wählen, sei eine legitime Form des Protestes und nicht Zerrüttung der Demokratie. Diese Diskussion ist überfällig. Warum, so muss allerdings auch die Frage erlaubt sein, ist eigentlich der Blick einer demokratischen Öffentlichkeit so lange so getrübt gewesen, dass nicht erkannt wurde, was da an braunen Eiern gelegt und ausgebrütet wird? Warum wurde PEGIDA in den vergangenen Jahren nicht klar als rechtsextremistisch bezeichnet, sondern als “populistisch” oder gar “flüchtlingskritisch” statt rechtsextrem und Fremdenfeindlich? Obwohl schon im Bundestagswahlkampf 2017 die AfD sich als “parlamentarischer Arm” dieser Kräfte bezeichnet hat? Warum wurde die AfD als “populistisch” verharmlost, ihre absurden, rechtsextremistischen Thesen zur Flüchtlingspolitik, ihre allesamt verfassungsfeindlichen Asylforderungen in Talkshows von Plasberg bis Maischberger hofiert, geadelt und quasi um die Wette in die Runde des Diskussionswürdigen geholt? War es “schlechtes Gewissen” oder vorauseilender Gehorsam der als “Lügenpresse” gescholtenen, dass sie im Vorfeld der Bundestagswahl AfD-Funktionäre und ihre Thesen – so etwa die Frage an Martin Schulz im Kandidatenduell, was er denn tun werde, um die “massenhaften abgelehnten Asyslbwerber endlich schnell abzuschieben”?
Warum wird jetzt erst klar, was man beispielsweise im Baden-Württembergischen Landtagswahlkampf bereits erkennen konnte, als flächendeckend eine Zeitung mit fremdenfeindlichem und neonazistischen Inhalten verteilt wurde, um Stimmung gegen Flüchtlinge und für die AfD zu machen? Die Grenzen der AfD nach rechts sind nicht nur fließend – die Verflechtungen und Verankerungen im braunen Sumpf werden immer deutlicher. Wenn die Jugendorganisation der AfD nun erklärt, ihre Landesverbände in Bremen und Niedersachsen “auflösen” zu wollen, nachdem der Verfassungsschutz erklärt hat, sie zu beobachten, liegt auf der Hand: Abtauchen, bevor Zusammenhänge öffentlich werden. Niemand glaube, damit würden die rechten Anhänger und Aktivisten aufhören, rechten Ungeist zu verbreiten, geschweige denn geläutert werden.
Überzeugung der Mitläufer statt falschem Märtyrertum
Nein, es bedarf keiner Beobachtung durch den Verfassungsschutz, es bedarf konsequenter Klarheit in der Auseinandersetzung mit der rechtsextremistischen AfD. Sie ist ein rechte, eine teilweise rechtsextremistische Partei, die vor allem ein Thema hat: Fremdenhass und Ressentiments zu schüren, Rassismus zu befördern und nachhaltig das politische Klima nach rechts zu verschieben. Sie ist keine Partei, die die Verfassungsrechte befördert, sondern sie bedroht die Pressefreiheit, stellt freie Berichterstattung in Frage, auch wenn sich ihre Funktionäre wie Gauland oder Weidel verbal und taktisch zum Grundgesetz bekennen. Ein Satz von Martin Kohlmann, ehemaliger Republikaner und “Pro Chemnitz” Funktionär: “Das, was Leute hier gemacht haben, war keine Selbstjustiz, sondern Selbstverteidigung…”. Das hat Alexander Gauland am gleichen Tag in seinem Statement nahezu wörtlich wiederholt. Er ist ein überzeugter Rädelsführer rechter Gesinnung, ihn und seine Führungsclique wird eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz in die gewollte Märtyrerrolle bringen. Sie warten nur darauf.
Nein, zur Klarheit der Auseinandersetzung gehört, die AfD nicht wegen ihrer ständigen pressefeindlichen Äußerungen in den Medien zu privilegieren. Zur Klarheit gehört vor allem, Licht ins Dunkel ihrer Netzwerke zu bringen – durch investigativen Journalismus, den fürchtet die AfD am meisten. Zur Klarheit gehört, nicht wie die CSU die bessere AfD-Flüchtlingspoltik zu machen oder gar verbale Entgleisungen wie “Asyltourismus” oder “Anwaltsindustrie” zu begehen. Dazu gehört auch, nicht wie Wolfgang Kubicki oder Christian Lindner der Versuchung zu erliegen, die Mitläufer rechtsextremer Demonstrationen dadurch zu ermutigen, dass man ihr Tun verharmlost und die Politik der Kanzlerin als Ursache für derartige Ausschreitungen verunglimpft. Und dazu gehört es, denen, die da mitgelaufen sind oder noch mitlaufen, klar zu machen, dass es eine klare Grenze zwischen politischer Auseinandersetzung mit Andersdenkenden und randalierendem Mob gibt, der nicht durch Teilnahme unterstützt oder durch Nichtstun geduldet werden darf. Dazu bedarf es vor allem der persönlichen Ansprache. Ein TV-Magazin hat hierzu ein erstaunliches Experiment gemacht: Seine Reporter haben Menschen, die dabei standen, als der rassistische Mob von PEGIDA vor zwei Wochen “absaufen, absaufen, absaufen” grölte, gefragt, ob sie wirklich befürworten würden, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken. Ausnahmslos alle Mitläufer distanzierten sich davon, meinten “so hätte man das natürlich nicht gemeint”. – Wer hätte das gedacht!
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