Heute werden Sie mal weniger von mir lesen. Etliche gute Freund*inn*e*n von mir kennen diesen Ausflug bereits. 10 Uhr Abfahrt von der Kennedybrücke, mit dem Fahrrad. Ich weiss ja nicht, ob Sies schon wissen, aber die rechte Rheinseite ist auch fürs Fahrradfahren die Schönere.
Sie sollten diese Strecke nicht sonntags fahren, zu voll. An Werktagen hat der Rheinuferverkehr aber – noch – ein normalmenschliches Mass. Die Zunahme des Fahrradverkehrs und anderer Alternativen zum Auto lässt allerdings Schlimmeres befürchten. Das Rheintal hat – neben dem Lärm für seine Anwohner*innen – den Vorteil, dass wir im Sommerhalbjahr zwischen den Verkehrsmitteln Bahn, Schiff und Rad beliebig variieren können. Denn – zumindest früher war das so – es könnte gelegentlich ja mal regnen.
Königswinter – zu dumm für kaufkräftige Fahrradtouristik?
In Königswinter, habe ich gelesen, könnte es zu Komplikationen kommen. Die Kommunalpolitik debattierte, den Fahrradverkehr vom Rheinufer wegzuführen. Ausgerechnet den meistbefahrenen Radwanderweg Deutschlands. Ob das klug ist? Für mich gehören die leerstehenden, vergammelnden Tanzlokale der 50er und 60er Jahre schon zum traditionellen Königswinterer Ortsbild. Ob das Aussperren der nächsten Wachstumswelle, der kaufkräftigen Fahrradtouristik, die schlaue Methode ist, um die den Ausflugsschiffen entsteigenden Senior*inn*en nicht zu verschrecken, und weil mann vor der Aufgabe kapituliert, das planerisch und kommunikativ zu gestalten? Ich werde es mir heute ansehen.
Hinter Königswinter folgt eine angenehme Strecke. Fahrräder und Fussgänger*innen haben getrennte Wege. Nach der Ortsdurchfahrt von Bad Honnef folgt noch mal ein idyllischer Abschnitt nach Unkel, der letzten Heimat von Willy Brandt. Er wohnte in der Eschenbrender Strasse in einem Brutalismus-Wohnblock; wer drin wohnte musste ihn ja nicht angucken, sondern schaute auf den Rhein. Dort fahren wir mit einem durchfahrenden Linienschiff der BPS oder der KD eine kurze Station rüber nach Remagen.
In Remagen beginnt das letzte Stück bis über Kripp, die Ahrmündung und dann rechtsab nach Sinzig. Auch dieser Abschnitt sehr idyllisch, bis dann zum Abschluss eine sehr unschöne Bahnüberquerung und Ortsdurchfahrt folgt, an deren Ende das Ziel winkt: das Vieux Sinzig. Ich habe das Lokal in den 90ern anlässlich eines Slowfood-Festivals kennengelernt und bin Stammgast geworden. Chef Jean-Marie Dumaine ist nicht nur ein Erster-Klasse-Koch, Wildkräuter-Experte, sondern auch ein Kommunikationsgenie, begünstigt durch das charmierende französische Deutsch, und muss es an diesem Standort auch sein. Beständig entertaint er nicht nur seine zahlreichen Fans und Stammgäste, sondern auch die regionalen Medien, die ihn wiederum immer sehr, sehr gerne “nehmen”. Begünstigt durch den regionalen Nachtverkehr an Wochenenden können selbst Kölner*innen mit handfesten Trinkabsichten sein Lokal in Sinzig und das heimische Bett bequem ohne Auto erreichen. Ich will Ihnen an dieser Stelle nicht ersparen, was uns dort als Mittagstisch erwartet:
Mittags-Menü (Mi – Do – Fr – Sa)
Quiche mit Giersch, Tomate und Wildkräutern
oder
Klare Fischsuppe Knoblauch-Cro�tons mit Emmentaler
* * *
Seelachs mit Sesamkruste
Zucchini und Borretsch asiatisch
oder
Eifel Schweineschulter-Confit
mit grünen Bohnen
* * *
Französische Käseauswahl, auf den Punkt gereift,
von ausgesuchten Regionen
oder
Sommer-Beeren TARTE
mit Kokosnuß-Biskuit und Sorbet
3-Gänge-Menü € 25,90
Ich versichere Ihnen: bei den drei Gängen wirds nicht bleiben. Heute habe ich alkoholfreie Begleitung; das empfehle ich nicht, denn Familie Dumaine ist mit sehr vielen erstklassigen Winzer*inne*n befreundet. Das kann natürlich für den Rückweg zu konditionellen Defiziten führen. Planmässig erreiche ich das Lokal in der Regel gegen 13 h. Aufgegessen und -getrunken ist es meistens gegen 15.30. Dann steht der Rückweg an.
Nicht “abwärts trinken”
Auch dabei bewährt sich die Verkehrsinfrastruktur des Rheintales. Wenn wir in Remagen eintreffen, ist gerade der Rückreiseverkehr der Linienschiffe Richtung Bonn/Köln unterwegs. Das grösste Problem: man soll nicht “abwärts trinken”. Das Weinangebot auf den Schiffen ist zwar besser als ihr Ruf – noch schlimmer ist dort die Musikbeschallung – aber mit Jean-Marie Dumaines legendär guten Geschmack können sie nicht mithalten.
Auf jeden Fall sind wir als Bonner*innen zur Tagesschau wieder zuhause und können entscheiden – Beine hoch, oder noch was anstellen mit dem angebrochenen Abend. Ich wette auf das erste.
Update 20.9.: Frau Dumaine sagte uns gestern, sie seien nun schon 40 Jahre in Sinzig. Wow, was für eine gastronomische, lukullische und Lebensleistung! Respekt, Hochachtung, Verehrung, Dankbarkeit.
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