Nein, gegen Realpolitik ist nichts zu sagen. Die erfolgreiche Ostpolitik Willy Brandts und Walter Scheels hat sich als richtig erwiesen. Wandel durch Annährung ist eine heute noch gültige Formel. Es hat keinen Sinn, Putin ständig zu dämonisieren, zumal keine demokratische Verbesserung in Sicht ist – alle “Alternativen” sind schlimme, faschistoide Nationalisten oder westliche Wunschkandidaten ohne Chance. Und es ist richtig, dass Europa am Atomabkommen mit dem Iran festhält, obwohl dies das korrupte Mullah-Regime indirekt stabilisiert, vor allem aber die Folgen Trumps Politik für die Bevölkerung abmildert. Aber Erdogan ist ein ganz besonderer Fall: Er hat die Türkei in einen islamistischen Staat verwandet, sich selbst zum Quasi-Alleinherrscher gemacht hat. Er hat zehntausende ins Gefängnis geworfen, nur weil sie eine oppositionelle Meinung vertreten oder gar gewählte Abgeordnete der Kurdenpartei HDP sind. Wer nicht für ihn ist, den bezeichnet er als Terroristen und verwandelt das ehemals berechenbare, säkulare  Militärregime in einen islamistischen Despotismus unter seiner Willkürherrschaft. Braucht der einen roten Teppich?

Erdogan hat die Bundesregierung und insbesondere die Kanzlerin in einer alle diplomatische Regeln brechenden Art und Weise als “Faschisten” beschimpft, er ist auf die Kanzlerin verbal losgegangen. Aber da sind auch die Millionen Migranten und detusche Bürger mit türkischen Wurzeln. Auch bei denen ist er umstritten, seine AKP hat etwa 40 % der Menschen mit türkischen Wurzeln n Deutschland mobilisiert, um seine Macht als Präsident zu sichern. Die Kölner Moschee, betrieben von der umstrittenen DITIB als Anhängsel des türkischen Religionsbehörde hat alles getan, um den Integrationsgedanken, den Stadt, Architekt, Politik und Zivilgesellschaft wollten, zu unterlaufen. Als DITIB für ein Präventionsprojekt der NRW-Landesregierung gegen Islamismus ein “Wegweiser”-projekt tragen soll, wird publik, dass eben diese DITIB einen Comic an Kinder und Jugendliche verteilt hat, in dem ein Vater seinem Sohn erklärt, dass der Märtyrertod im Dienste des Islam ehrenvoll und erstrebenswertes  Lbenszial ist. Erst eine Intervention des NRW-Verfasungsschutzes bringt die Fakten ans Licht, fortan ist der Verhältnis zur DITIB gestört.

Gleichzeitig wird bekannt, dass DITIB-Imame gläubige Muslime bespitzeln, Zuträger für den Geheimdienst sind, um Erdogan-Gegner oder nur Gülen-Anhänger aufzuspüren. Erdogan hetzt sie immer wieder auf, Landsleute zu bespitzeln. Und viele machen das gerne, weil Erdogan jemend ist, der “endlich mal durchgreift”, der “sagt, wo es langgehen soll” und ihnen deshalb ein neues Selbstbewusstsein verpasst hat. Für Kuscher und Versager – toll.  Neueste Spitze seines Innenministeriums, ist eine Spitzel-Handy-APP , mit der angebliche Oppositionelle direkt diffamiert werden können. Kostenlos auf türkisch herunterzuladen und jederzeit bereit. Die Medien habens publik gemacht, die Empörung der Kanzlerin und der Politik darüber hält  sich derzeit in Grenzen. Man könnte sich natürlich nun fragen, ob das die Folge davon ist, dass Innenminister Seehofer und sein “Sonderberater” Maaßen gerade über ein ähnliches Projekt in Deutschland nachdenken? Man könnte aber auch einfach nach Recht und Gesetz vorgehen. Der einfache Blick ins Gesetzbuch hilft wie immer der Rechtsfindung:

 

 § 292a Strafgesetzbuch: Politische Verdächtigung. “Wer einen anderen durch eine Anzeige oder eine Verdächtigung der Gefahr aussetzt, aus politischen Gründen verfolgt zu werden und hierbei im Widerspruch zu rechtstaatlichen Grundsätzen durch Gewalt oder Willkürmaßnahmen Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, der Freiheit beraubt oder in einer beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung empfindlich beeinträchtigt zu werden, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (Absatz 1) Ebenso wird bestraft, wer eine Mitteilung über einen anderen macht oder übermittelt und ihn dadurch der in Absatz 1 bezeichneten Gefahr einer politischen Verfolgung aussetzt. (Absatz 2)

Der Versuch ist strafbar und schwere Fälle können bis 10 Jahre Strafe erhalten. Wenn Sie jetzt glauben, diese Strafvorschrift würde auf die aktuelle Rechtslage passen, wie die Faust aufs Auge, liegen Sie natürlich falsch: Der Straftatbestand wurde geschaffen, um Denunziation von Bundesbürgern durch andere Bundesbürger gegenüber der DDR mit Strafe zu bewehren.  Aber was soll’s: Die Türkei ist ja auch für viele Deutsche mit türkischen Wurzeln nichts anderes, als damals die DDR. Die wissen das bloß nicht und denunzieren fleissig ihre Mitbürger, Kurden, Aleviten und wen auch immer an den Islamistenkasper Erdogan. Strafbar ist das trotzdem. Vielleicht sollte die Bundesregierung die autoritätsgläubigen Erdogan Anhänger mal darüber aufklären. Ja, genau, diese Kuscher und Versager, die finden, dass Erdogan endlich mal durchgreift. Die sollte man informieren, dass sie sich mit der APP strafbar machen und dann mal so richtig durchgreifen. Als Rechtstaat gegen Denunzianten und willfährige Antidemokraten. Der demokratische Rechtstaat ist nicht wehrlos – er muss das Recht nur anwenden – und damit  deutlich machen, dass wir alle in EINER Gesellschaft leben und Parallelwelten oder “Parallelgesellschaften” ein Märchen von Rechten und Integrationsgegner sind.

Erdogan ist hier, weil er Hilfe und Unterstützung braucht. Ökonomisch und finanziell. Deutschland soll helfen, soll es auch. Aber es muss aufhören, dass mehr getan wird, als das diplomatisch mögliche und verhältnismäßige. Staatsbankett und roter Teppich mit Ehrenformations der Bundeswehr sind ein Problem, solange Erdogan die Menschenrechte im eigenen Land mit Füßen tritt. Arbeitsbesuch ja, Prunkbesuch nein und strikte Anwendung des geltenden Rechts gegen Spitzel, Denunzianten und alle Bestrebungen, die die multikulturelle, friedliche Gesellschaft bei uns versuchen, auseinander zu dividieren.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net