In Hauptstadtberlin und seinen Ministerien haben es wohl noch nicht viele gemerkt. Ich gestehe: auch ich habe länger gerätselt über den Höhenflug der Grünen. Wer “zu viel” über ihre inhaltliche Substanz und Leistungsfähigkeit weiss, meint bisweilen, das könne eigentlich nicht sein. Ist aber so. Und es hat “fukushima-effekt-“artig mit der Klimapolitik zu tun. Es hat sich, wenig ausgeleuchtet durch die mächtigen Medien, in den Köpfen vorwiegend junger Menschen was verschoben, langsam aber gewaltig, wie es sonst nur Erdplatten tun.
Wer das, wie ich, mit Freude registriert, kommt nicht umhin, sich mal wieder beim US-Präsidenten bedanken zu müssen, der unermüdlich daran arbeitet, solche Tendenzen weltweit zu stärken. Es ist tatsächlich spektakülär, wie er Klima und Wetter nicht auseinanderhalten kann. Seine Epigonen in Berlin tuns auch nicht besser. Christian Ehring fragte gestern, woher Karl Marx schon den Andreas Scheuer kannte, als er sagte: “Der ‘gesunde Menschenverstand’ ist eine Form historischer Dummheit.”
Für Ältere ist das lustig. Junge Menschen können darüber nicht lachen, sondern steigen uns schon moralisch aufs Dach, bevor sie überhaupt wahlberechtigt sind. Eltern mit veganischen Kindern wissen, was ich meine. Eine 16-jährige Schwedin mit Asperger-Syndrom, Greta Thunberg, steigt, befeuert durch die herrschenden Medienmechanismen, zu einer Global Playerin auf.
Und morgen finden wieder weltweite Massendemonstrationen minderjähriger Schulschwänzer*innen statt, in Brüssel heute schon. Wenn Sie diese Reportage von Ramona Westhoff/DLF hören statt lesen, werden Sie akustisch feststellen, dass entweder die Mädels klar in der Mehrheit sind, und/oder die Jungs noch nicht im Stimmbruch.
Sicher, politische Jugend- und Kinderbewegungen unterliegen starken saisonalen Schwankungen. Sie haben keine konservierenden Organisationsstrukturen wie traditionelle Grossorganisationen. Das Leben Jugendlicher ändert sich häufig, mit zunehmend rasender Geschwindigkeit. Das merken die natürlich, und artikulieren ihre berechtigte Ungeduld. Politisch war das scheinbar bisher wenig wichtig, weil die Mehrheit sind wir, die altwerdenden “Babyboomer”. Aber die Machtverhältnisse in den Familien und Schulen verschieben sich, die Jungen putschen sich in die Meinungsführung, weil sie schneller und mehr über die Welt lernen, als die Alten es konnten.
Politik und Parteien, die das nicht zu Kenntnis nehmen, denen wird es ungefähr so ergehen, wie aktuell der SPD.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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