Anne Fromm und Peter Weissenburger berichten in der taz über einen spektakulären ökonomischen Breakdown US-amerikanischer Onlinemedien. Ihrer informativen Analyse möchte ich einen strategischen Gesichtspunkt hinzufügen. Zweifellos haben z.B. Vice mit Laura Himmelreich oder Buzzfeed mit Daniel Drepper eine Chefin bzw. einen Chef für ihren deutschen Zweig gefunden, die hier einen guten Namen haben. Die finanzstrategischen Partner dagegen waren bereits der Grabstein für journalistische Glaubwürdigkeit.
Wenn Vice sich in den USA bereits mit Murdoch eingelassen hat, das ist selbst für die USA eindeutig, hat man jeden Anspruch auf politische Glaubwürdigkeit verspielt. Wer es in Deutschland mit dem Springer-Verlag oder, wie die HuffPost mit Burda, dessen Visitenkarte das gescheiterte Revolverblatt Focus ist, versucht, ist dramatisch schlecht beraten. Vermutlich wurde darauf spekuliert, dort professionelle Partner zu finden, die das Verlagsgeschäft beherrschen. Das stimmt ja auch, vor allem das “Beherrschen”, ist aber auch das Problem.
Die Struktur deutscher Verlagskonzerne kennt den liberalen Verleger nicht (mehr). Es gibt um “Liberal” ein Sprachproblem zwischen dem Deutschen und dem US-amerikanischen Englisch. In den USA ist “Liberal” ein ehrenvolles Schimpfwort – deutsche Synonyme sind “Kommunist” oder “Linksradikal”, “linksgrünversifft”. In den USA wird das von linken Demokrat*inn*en und widerständigen, kritischen Medien als Ehrenzeichen getragen, selbstbewusst proklamiert und mit wachsenden Abonnent*inn*enzahlen belohnt. Hier in Deutschland, müssen US-Investor*inn*en wissen, und werden darüber, wenn sie in deutschen Verlagskonzernen anklopfen, selbstverständlich aus Eigentinteresse im Unklaren gelassen, ist “liberal” kontaminiert. Nicht nur von der FDP, sondern auch einer dogmatisierten Klippschul-Ökonomielehre der Austerität, des Klassenkampfes von oben, der schwäbischen Hausfrau – kurz: einer Ideologie, wie sie innenpolitisch von Trumps rechter Republikaner-Fraktion vertreten wird, und die in der angloamerikanischen Wirtschaftswissenschaft einheitlich ausgelacht wird. Diese Ideologie in den Köpfen deutscher Verlagskonzernherren und -damen ist es aber, die sie ihre Glaubwürdigkeit in exakt der Zielgruppe, also den Jungen, schon hat verlieren lassen, die digitale Medien heute gerne gewinnen wollen. Wer in Deutschland Springer, Bertelsmann oder Burda noch was abkauft, ist sicher nicht “Liberal” in seiner US-amerikanischen Bedeutung.
Die Machtfelder von Ökonomie, Ideologie, Politik und Medien sind also ganz anders verteilt. Deutschland ist für US-Amerikaner*innen zwar ein kaufkräftiger, interessanter Markt, aber als Land einfach zu klein, um sich mit solchen komplizierten Details zu befassen. Wer jedoch, von den USA aus gesehen, darauf verzichtet, sich einzuarbeiten, und sich auf schlechte deutsche Unternehmensberatung verlässt – für den geht es dann so aus, wie es jetzt ausgeht.
Tschö, bis zum nächsten Versuch:
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