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Grüner Populismus

Die Umweltorganisationen haben die IAA mit Demonstrationen und Blockaden aufgemischt. Das ist positiv, denn obwohl allen Beteiligten klar sein müsste, dass die derzeitige Modellpolitik der Autoindustrie – aber auch die reale Käufernachfrage  –  alles andere als ökologisch sinnvoll sind, passiert eben – nichts. Und der Anteil der SUVs an den verkauften PKW nähert sich von 14% über 25% der 50% Marke. SUVs sind Autos, die einst entwickelt wurden, damit der Förster in den Wald und der Bauer ins Gelände fahren kann, aber nicht für den Alltag und garnicht für die Stadt. Geländewagen nannten sich diese Fahrzeuge schlicht und ihr Bestimmung war recht einseitig.

Die bekanntesten Urmodelle, der Chrysler Jeep (1938), der Land Rover Defender (1948) waren nämlich für die US-Army und das britische Militär gebaut worden. Der Mercedes G wurde 1972 auf Veranlassung vom Schah von Persien entwickelt, weil der Iran damals an der Daimler-Benz AG beteiligt war, und ein Fahrzeug zur Grenzzsicherung in unwegsamen Gelände benötigte – er wurde ab 1979 dann von Steyr für das österreichische Heer gebaut. in den 90er Jahren begannen Range Rover, Mitsubishi mit dem Pajero (Span.: “Wichser”) und Mercedes ML (1997), BMW X5 (1999), der VW-Konzern mit dem Touareg (2002) und dem in vielen Komponenten baugleichen Porsche Cayenne (2005), Audi Q7 (2005) SUVs zunächst für den US-Markt zu bauen. Sie werden in den USA gefertigt, der Touareg in der Slowakei und Bosnien. Lange interessierten sich nur Förster oder ein paar Spinner für diese Autos – seit 2014 explodiert der Markt in Deutschland.

Was hier aus Militärfahrzeugen entstanden ist, entwickelte sich zu automobilen Dinosauriern (Audi Q7, BMW X5, X6, Mercedes GL, Porsche Cayenne) mit z.T. über 550 PS und 2,8 t. Gewicht. Im breiten Windschatten dieser Saurier entstanden viele kleine Mammuts wie Audi Q5, MB GLK, BMW X3 bis zum Dacia Duster und Toyota RAV 4. Ihnen allen gemeinsam sind lausige Luftwiderstandswerte, viel zuviel Rollwiderstand durch unnötig fette Räder, ein zumeist überpropartionales Gewicht und ein exorbitanter Verbrauch gegenüber den Modellen von Limousinen oder Kombis der gleichen Hersteller mit identischer Motorisierung. Vorteil aus Verbrauchersicht ist eine akustische und haptische Abschottung gegenüber der Umwelt, eine Scheinsicherheit bei wechselnden Witterungsverhältnissen durch Vierradantrieb, Sicherheit vor der unterschwellig-archaischen Bedrohung durch große Fahrzeuge im Rückspiegel und die scheinbar bessere “Übersicht” nach vorn – natürlich auf Kosten der hinterher fahrenden “normalen” PKW. SUVs sind asoziale PKWs.

Warum kaufen so viele Menschen diese Autos? Untersuchungen zeigen, dass das Kleinhirn großen Anteil an der Kaufentscheidung hat. Viele SUV-BesitzerInnen wissen sehr wohl um die negativen Auswirkungen ihrer Fahrzeuge für die Umwelt, sie finden sie aber bequem, komfortabel, sicher, besonders geeignet für ältere Menschen und fahren sie trotz schlechtem Gewissen. Was kann Änderungen herbeiführen? Offensichtlich nur Griff in den Geldbeutel der Nutzer. In manchen Europäischen Ländern gibt es dafür eine “Luxussteuer”. Realistische Ansätze sind einfacher:

Die meisten SUVs sind breiter als normale PKW. Eine KfZ-Steuer, die für PKW ab 1,85 m Breite (ohne Spiegel) drastisch steigt, wäre sehr effizient. Die den CO2 Ausstoß und das Gewicht berücksichtigt, wären ein praktikabler Ansatz. Primitiv und populistisch ist es dagegen, wenn ausgerechnet Oliver Krischer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag ein “Obergrenze für SUV in Städten” fordert. “Obergrenze” ist ein rassistisches, aus der flüchtlingspolitischen Diskussion bekanntes Idiom der Rechten. Genau wie die “Obergrenze” für Flüchtlinge keinen Deut am Problem der Flucht und Armutsmigration löst, ist die “Obergrenze” für SUV eine Primitivierung des Problems, eine Ablenkung von den gesellschaftlichen Ursachen und die trivialdenkerische Reduzierung eines vielschichtigen, an Anbietern, Käufern und Staat unterschiedlich zu adressierenden Problems auf eine populistische Forderung. Soviel Einfachdenke hat grüne Politik nicht verdient.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Herr Koslowski Holger

    Super interessante Fakten, eine echte Versachlichung der Debatte. Aber der Eimer Häme über Krischer wegen der Verwendung des Begriffs Obergrenze, ist dann doch etwas übertrieben oder um ein schiefes Bild zu bemühen: An den Haaren herbei gezogen.

  2. Martin Böttger

    Wenn ich da mal vermitteln darf: sicherlich hat Oliver Krischer da weniger drüber nachgedacht, als wir jetzt. Aber es liesse sich auch positiv unterstellen, dass er die von Seehofer und der CSU vergiftete Sprache wieder entgiften will. Wir müssen sie uns ja von dem hoffentlich in Kürze zurücktretenden Minister nicht enteignen lassen. Andererseits ist das, was die CSU da zugunsten der AfD diskursstrategisch verbrochen hat, kaum zu bagatellisieren.

  3. Rolf Sachsse

    Die automobile Geschichte ist wesentlich länger als dargestellt – der erste dauerhaft allradgetriebene Wagen war ein Dernburg im Jahr 1907, Sperrdifferentiale gab es schon beim Antrieb antiker Observatorien, und mit riesigen Geländewagen fuhren bereits am Ende der 1970er Jahre die Protzverleger auf der Frankfurter Buchmesse vor. Das wesentliche Problem ist die gegenseitige Emotionalisierung der Debatte, die rein gar nichts bringt. Meine Empfehlung (nach dem Vorbild von Rotterdam und Utrecht): In der Innenstadt durchgehend Geschwindigkeitsbegrenzung auf 20 km/h (für alle, auch die Räder, E-Roller und Pedelecs!) mit ordentlich Kontrolle an jeder Ecke. Funktioniert bestens und bringt in den ersten sechs Monaten durchaus Geld in die Kasse. Danach wird es für alle Beteiligten angenehmer.

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