Der Ausgang der österreichischen Nationalratswahlen war so ähnlich erwartet worden – dass er so klar ausfiel, bringt mehr Probleme mit sich, als auf den ersten Blick zu erwarten ist. Eine Koalitions- und Regierungsbildung, die rechnerisch so einfach erscheint, wird schwer werden. Denn Sozialdemokraten stehen vor dem selben Problem wie die SPD 2017 in Deutschland. Die Grünen sind Parlamentsneulinge, die “Neos” nicht stark genug für ein Zweierbündnis und die rechtsextreme FPÖ verbietet sich aus offensichtlichen Gründen.
Über 37% für den konservativ-poulistischen “Wunderwuzzi” Kurz beinhalten, dass er der rechtsnationalistischen FPÖ, die tief im Sumpf der österreichischen Verbindungs- und Korporationswesen mit NS-Vergangenheit verankert ist, Wählerstimmen weggenommen hat. Das ist zwar für die Demokratie erfreulich, bedeutet aber gleichzeitig, dass er den Grünen in möglichen Verhandlungen nicht genügend Zugeständnisse wird machen können, denn deren Ziele sind in der Klima- und Migrationspolitik klar gegen den bisherigen Regierungskurs gerichtet.
Die Sozialdemokraten können sich eigentlich über ihre 22% freuen. Schließlich liegen sie damit doch weit vor den Umfragen und meisten aktuellen Wahlergebnisse ihrer deutschen Genoss*innen. Und das trotz einer kaum bekannten Spitzenkandidatin und einem schlechten Image, weil sie gemeinsam mit der FPÖ die Regierung Kurz beendet hat. Sie müssen ihre Wunden lecken und würden in alte Muster zurückfallen, würden sie eine “Große Koalition” mit der ÖVP eingehen. Zudem würden sie die Furcht vor Korruption und Vetternwirtschaft wieder bedienen, die in der Vergangenheit so oft die SPÖ-ÖVP Koalitionen in Österreich begleitet und letztlich auch zum Aufstieg der FPÖ geführt haben. Die österreichischen “Neos”, eigentlich eine liberale Partei, kämen für eine Regierungszusammenarbeit zwar in Frage, aber ihre 7% reichen nicht aus, um eine tragfähige Mehrheit zu bilden.
Um so größer wird nun der öffentliche Druck auf die Grünen werden, die mit ihren 14% eine Mehrheitsregierung mit der ÖVP bilden könnten. Aber sie haben ein Riesenproblem: Vor der letzten Nationalratswahl hatten sich die Grünen, die bereits langjährig im Parlament vertreten waren, über die Personalie eines sexuell übergriffigen Clubvorsitzenden gespalten. Infolgedessen waren nicht sie, sondern dessen Abspaltung im Nationalrat vertreten, sodass die jetzt gewählte Fraktion zum größten Teil aus Parlamentsneulingen besteht. Sie werden sich zunächst orientieren und einen Apparat aufbauen müssen – für Koalitionsverhandlungen auf Augenhöhe eine denkbar schlechte Ausgangslage. Ihr Regierungseintritt ist also eher unwahrscheinlich, die Erwartungen aber um so höher: Einerseits der Wähler*innen und der Mitglieder, dass sich wirklich etwas ändert, andererseits derselben Wähler, dass sie es machen. Denn das Schicksal der deutschen FDP, nachdem sie aus den Jamaica-Verhandlungen ausgestiegen war, sollte ihnen als Warnung dienen. Die Chancen eines solchen Bündnisses stehen wohl 50:50.
So scheint am Ende alles möglich: Eine Minderheitsregierung Kurz oder schlimmstenfalls ein Rückfall in eine ÖVP-FPÖ-Koalition.
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