von Günter Bannas
Zu den schwierigsten in der Herausforderungen der Politik (auch für Bundeskanzler) gehört die Regelung der Nachfolge. Der benannte Nachfolgekandidat sitzt seinem Vorgänger im Nacken – gewollt oder von der Öffentlichkeit auch nur so wahrgenommen, wie es derzeit zu beobachten ist. Viele Nachfolgekandidaten zu haben, erleichtert den Machterhalt. Wenn es nur noch einer ist – dann wird es gefährlich. Selbst die bloße Ankündigung, in absehbarer Zeit Ämter niederzulegen, kann den Amtsinhaber bedrohen, so wie es Horst Seehofer in den vergangenen Jahren erlebt hat, wenngleich mit der Legende aufzuräumen ist, der Betreffende werde unmittelbar zur lahmen Ente und mithin handlungsunfähig.
Helmut Kohl war diesem Schicksal gerade noch entkommen. Er hatte schon Wolfgang Schäuble als gewünschten Nachfolger als Kanzler bezeichnet, kandidierte aber trotzdem noch einmal und setzte damit durch, dass Schäuble so lange warten musste, bis die CDU unter Kohl die Bundestagswahl 1998 verlor und zur Oppositionspartei wurde.
Konrad Adenauer verbreitete meist Abträgliches über seinen „Vizekanzler“ Ludwig Erhard, der ihm folgen sollte. Sogar der Spruch, Erhard habe nicht einmal ein ordentliches Abitur, soll dazugehörthaben.
Helmut Schmidt unterließ es, Nachfolger „aufzubauen“ – es widersprach seinem Naturell und Selbstbild. Willy Brandt war anders. Er sprach einmal wohlgefällig von seinen „Enkeln“, die da aber noch so jung waren, dass sie Brandt nicht gefährlich werden konnten. Es waren vor allem: Engholm, Scharping, Lafontaine und Schröder. SPD-Vorsitzende wurden sie alle – nur einer wurde Kanzler.
Schröder wiederum verhielt sich nach den Regeln der Macht. Wenn das Gespräch auf mögliche Nachfolger kam, nannte er so viele Namen, dass seine Äußerungen einem Blick in die Glaskugel gleichkamen. Und auch das gehört dazu: Die Benennung offenbar ungeeigneter Leute als Nachfolger lässt den Amtsinhaber als unverzichtbar erscheinen.
Angela Merkel scheint dem Ziel, die Nachfolge zu regeln, am nächsten zu sein. Oder etwa nicht? Mit Annegret Kramp-Karrenbauer konnte verhindert werden, dass eingefleischte Merkel-Kritiker an die Spitze der CDU kamen. Nun aber werden alltägliche Konflikte als Stellungskrieg zwischen den beiden wahrgenommen. Zudem: AKK ist einer dauerhaften öffentlichen Prüfung ausgesetzt, ob sie fürs Kanzleramt geeignet sei.
Das ist ihre eigentliche Bewährungsprobe.
Günter Bannas ist Kolumnist des HAUPTSTADTBRIEFS. Bis März 2018 war er Leiter der Berliner Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus “DER HAUPTSTADTBRIEF AM SONNTAG in der Berliner Morgenpost”, mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion.
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