Wenn ein IC mit umgekehrter Wagenreihung freitags mit nur 5 Minuten Verspätung in Bonn ankommt, dann ist das jedenfalls eine famose Leistung des Zugteams – und natürlich auch der aus- und einsteigenden Fahrgäste. Schwach dagegen, wenn auch auf so eine geringe Verspätung in Köln nicht gewartet wird – der mögliche Umstieg für Reisende nach Wuppertal/Hagen misslang. Bis Essen summierte sich die Verspätung auf 12 Minuten. Naja, für das, was ich freitags gewohnt bin, eine Lappalie. Mehr schocken konnte mich die EVAG in Essen.
Die EVAG heisst jetzt Ruhrbahn. Vor einigen Jahren fusionierten die Städte Mülheim und Essen ihre Verkehrsbetriebe. Der Laie denkt: hä? Gibt es keinen Verkehrsverbund? Ja, das schon. Aber jede Stadt und jeder Kreis muss eine Menge Leute mit Jobs versorgen. Die können nicht einfach alles zu einem Betrieb zusammenlegen. Wie soll es sonst zu den vielen Gremiensitzungen kommen (in denen sie die regelmässigen Preiserhöhungen abnicken), für die es einerseits Aufwandsentschädigungen gibt, die aber vor allem etlichen Kommunalpolitiker*inne*n ein Gefühl von Wichtigkeit gibt. Wenn die das nicht mehr haben, kandidiert am Ende keine*r mehr …. Ich schweife ab.
Essener U-Bahn: eine entfällt, die nächste wird als “sofort” angezeigt, was sich wenig später auf “2 Minuten” erhöht. Leere “Betriebsfahrten” in beide Richtungen sind zu sehen. Dann kommt die Bahn, überfüllt. Die Nächste dahinter – Fahrplantakt 10 Minuten – soll schon in 2 Minuten folgen. Am Karlsplatz in Altenessen hat die überfüllte verspätete Bahn ihre Fahrgäste offensichtlich alle hinauskomplimentiert – sie steigen bei uns zu. Die Qualitätskatastrophe ist in Essen sprichwörtlich, seit dort die U-Bahn gegraben wurde (und Stadtteilstrukturen – “Nebenzentren” – in der langjährigen Baustellenzeit quasi zerbombt hat). Jetzt fehlt eine oberirdische Strassenbahn als für Öffentlichkeit sorgender Sicherheitsfaktor. Dafür gibts mehr Angsträume, die vor allem viel viel teurer im Unterhalt sind. In vier Jahren besteht Aussicht auf Besserung. So viel Zeit muss sein …
Rückfahrt von Essen. Zu spät am Hauptbahnhof. Obwohl Freitag, ist der IC pünktlich weg. Wer kann schon damit rechnen? Also Regionalexpress. Dass die Fahrkarte schon bezahlt ist, für IC-Qualität, das ist dem bescheuerten Preissystem zu verdanken, das in den 90ern von den Flugverkehrsleuten Mehdorn und Brunotte ausgedacht wurde. Die Empörung war riesig. Brunotte wurde von Mehdorn geopfert. Aber wichtige Elemente des strassenräuberischen Tarifsystems (“Zugbindung”) blieben. Halt in Leverkusen, zwei Überholungen – Hinweise, dass mit diesen Zügen Köln schneller zu erreichen sei, gab es selbstverständlich nicht – das wäre allzu überraschend gewesen. Immerhin erreichte ich in Köln dieses Mal den RE 5 – als “RRX-Zuggarnitur”, die ich erstmals benutzte. Wie sind die nur auf die “Idee” mit unverstellbaren Rückenlehnen gekommen? Oder habe ich einen Hebel übersehen?
Slapstick zunächst auf dem Kölner Bahnsteig. Der Zug fährt ein, aber nur einteilig. Menschenmassen folgen ihm, um ihn zu erreichen. Die Hoffnung auf einen Sitzplatz hatte ich schon aufgegeben, liess mich von zahllosen aufgeregt rennenden Mitreisenden überholen. Als die meisten schon eingestiegen waren, kam die Durchsage: der Zug fahre ausserplanmässig auf dem gegenüberliegenden Gleis ein. Alle wieder raus – jetzt war ich im Vorteil. Ich ging zurück zum zweiten Zugteil, den ich nun fast für mich alleine hatte. Aber natürlich gabs Verspätung.
In Bonn dann mit der U-Bahn Ähnlichkeiten mit Essen: die 66 wird mit “6 Minuten” angegeben. Ich verzichtete darauf, über den Bahnsteig zur Thomas-Mann-Str. durchzulaufen, um dort einen Bus nach Beuel zu erreichen. Aus den 6 Minuten wurden faktisch 10; in nur 4 Minuten sollte schon die nächste 66 folgen. Dylan Cem Akalin hat im GA gründlich, wie es seine Art ist, über den Pendlerärger auf der Linie berichtet. Vor drei Jahren hatte ich im St.-Josef-Krankenhaus einen Zimmergenossen, der Stadtbahnfahrer in Bonn war. Er versicherte mir, dass er als Fahrgast niemals mitfahre, “zu gefährlich”. Es folgten Dönekes aus den Werkstätten über die Behandlung des alten Wagenmaterials. Für mich ist die eigentliche Sensation, dass das alte Material noch fährt. Düsseldorf exportierte 40 Jahre alte DuWag-Strassenbahnen noch nach Polen und Iran. Die moderne Fabrikation lieferte dann neue Bahnen mit “Fehlern ab Werk”.
Am Ende vom Hbf. Essen zur Haustür in Beuel: 2 1/2 Stunden für 110 km. In den 70ern bis 90ern wars eine Stunde weniger. NRW – Industrieland? Das war einmal.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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