berliner szenen
“Vergiss heut Abend Xara nicht. Treffen wir uns vor Rossmann.“ Agnieszkas Messenger-Nachricht ploppt aus meinem Fon, während ich in einer doofen Besprechung brüte. Wie könnte ich die Party vergessen? Eine „Nacht der Liebe“ hat der Schinkelpavillon den Abend genannt. Und das direkt am Kotti.
Sonst stehen vor dem Eingang zu der türkischen Disco im Brutalo-Vorbau vom Zentrum Kreuzberg immer schwarz verkleidete Schränke mit Vollbart. Heute dürfen wir ohne Gesichtskontrolle durch.
Oben ist es rammelvoll.„Es geht um bedrohte urbane Räume. Sie machen da so Events. Heute irgendwie arabisches Kabarett, kuratiert“, schreit mir Agnieszka ins Ohr.
Die ästhetische Fusion aus Pop und Mittelost sieht eher wie eine Relaunch-Party für die 20er Jahre aus: cool vergammelte Kreuzhainer Hipster, ein paar Glitzertaillen, leichtes Transendefizit. Bauchtänzer Zadiel lässt die Hüften kreisen. Nicht so abgefahren wie vor ein paar Jahren, als Möbel Olfe hier „CSD in Beton“ gefeiert hat. Selbst der schnauzbärtige Friseur Yavuz vom Orient-Basar sitzt heute mit seiner Frau auf dem Plüschsofa.
„Und wie findest du das?“, fragt mich Agnieszka, als wir auf dem Weg zur süßlich vernebelten Terrasse mit Buddha-Statue und Premiumblick auf Berlins Kriminalitätshotspot an einer abgetrennten Ecke vorbeilaufen. Hinter der goldenen Kordel lümmeln sich ein paar Promis auf Pseudobarock: Galeristen, Edelfedern, notorische Kunstmitläufer. Über einen Bildschirm flimmert ein psychedelisches Video, ein Champagnerglas zerspringt.
Eine private VIP-Lounge im temporären Project-Space gegen Verdrängung?
„Die Nina feiert ihren Geburtstag“, weiß Agnieszka. „Soooo uncool. Passt nicht zu Berlin. Wenn du mich fragst: Ist einfach russisch.“
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.
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