In der gegenwärtigen behördlichen Reaktion auf die Ausbreitung des Corona-Virus wird eine Gruppe von Menschen immer vergessen. Zu Unrecht

Krankenschwestern, Ärzt*innen, Rettungskräfte von Feuerwehr, THW und den Hilfsdiensten, Polizei, die Mitarbeiter*innen von Gesundheitsbehörden, sie alle werden zur Zeit besonders schwer gefordert, aber auch vorrangig mit Schutzmaßnahmen bedacht, weil sie für die Aufrechterhaltung unseres Gesundheitssystems notwendig sind. Ihnen gebührt ein ganz besonderer Dank.
Noch nie habe ich in den letzten Wochen jedoch gehört, dass auch andere Gruppen genannt wurden, die für die Erhaltung unserer körperlichen Gesundheit und unserer Sozialkontakte äußerst wichtig sind und die beruflich mit vielen anderen Menschen täglich in Kontakt kommen: Postzusteller*innen, Bus- und Taxifahrer*innen, LKW-Fahrer*innen, die immer noch Milch, Brot und anderes Lebensnotwendiges bringen. Die Bäcker*innen, die unverdrossen immer noch unser täglich Brot backen. Die Verkäuferinnen in den Lebensmittelläden, die jeden Tag hunderte von Kunden mit Nudeln und Klopapier bedienen und dabei ein völlig unbekanntes Gesundheitsrisiko eingehen.

Und die Menschen, die die kritische Infrastruktur am laufen halten. Die Systemadministratoren, die Mitarbeiter in Kraftwerken, in den Wasserbetrieben, die Müllabfuhr, die Menschen bei den Internetanbietern und der Telekom, zum Beispiel. die Netzwerkadministratoren, Techniker, Mechaniker, Elektriker, Programmierer, Ingenieure, die Arbeiter, die Maschinen warten und reparieren, Betriebsschlosser z.B. Grade gestern hat die NRW-Landesregierung diesen Berufsgruppen ermöglicht, ihre Kinder weiter in die Kitas zu bringen, denn Papi oder Mammi werden jetzt besonders gebraucht.

Aber im Ernst: Hat jemand mal an die gedacht? Ich finde, ihnen gebührt ebenfalls Dank und Anerkennung.
Denn was wäre der Mensch in Europa ohne Strom? Wir sind ja nicht in Nepal, wo man nur drei Stunden am Tag Strom hat, den Rest des Tages mit Generatoren abdeckt und auf den Dörfern völlig autark Laptops mit Kurbeln betreibt.

Man kann jetzt schon sicher sein, dass der Stromverbrauch der privaten Haushalte über den ganzen Tag in den nächsten Wochen stark ansteigen wird. Kochen, Waschen mit der Maschine, den Trockner laufen lassen. Alles was sonst abends geschieht, wird jetzt in die Zeit tagsüber verlegt. Dazu noch die Heimarbeit, auf Neudeutsch Home Office genannt, inclusive der eingebauten Selbstausbeutung, die Freiberufler*innen wie ich ja schon lange praktizieren.

Und was macht der Mensch, insbesondere der Mann, wenn er nicht arbeiten kann? Er daddelt am Rechner (oder spielt mit den Kindern) oder werkelt herum. Und von den Online-Magazinen gibt es jetzt dazu noch jede Menge Tipps und Anregungen. Wird unser Stromnetz und werden vor allem die Server der Internetanbieter das aushalten?

Die Frauen schauen sich sicher jetzt schon Youtube-Filmchen zum Selbermachen von Nudeln und Klopapier an, oder Instagram-Movies über das Anpflanzen, Ernten und Einwecken von Gemüse und Obst als Vorrat für die nächste Krise.

Kontakthof Corona

Es wird noch mehr als sonst gewhatsappt, geskypt, gepostet, gestreamt, gespíelt oder einfach telefoniert werden. Man hat ja jetzt Zeit dafür, nicht nur die kurzen Pausen auf der Arbeit. Wetten, dass jetzt jeden Abend die Oma angerufen wird, etwas, das man früher nur jede Woche zweimal machte? Nicht nur die Familie, sondern Jugendfreunde, entfernte Bekannte, Leute die man 10 Jahre lang nicht mehr gesehen hat, treten erneut in Kontakt. Online Zeitung lesen, denn der Weg zum Kiosk oder der Kiosk-Mann könnten ja gefährlich sein.

Und sicher werden bald ganz viele Fotos hochgeladen, die von Mutti und Kindern selbstgemachte Nudeln zeigen und wie die den Kindern schmecken! Und selbstgemachte Hygieneartikel. Endlich mal lernen die Kleinen wieder was Bodenständiges von Mutti und nicht in der Kita!

Solange der Strom fließt und das Internet läuft, kann sich die Corona durchaus als Kontaktvermittlerin entpuppen.

Abschottung und Ausgrenzung

Aber was ist mit den Leuten, die hier arbeiten, aber ihre Familie im Ausland haben? Denkt jemand mal an die?
Die zehntausenden Pflegerinnen aus Polen oder Litauen, die unsere alten Eltern umsorgen, weil wir es selbst nicht mehr tun wollen oder können? Die mit ihrem Fleiß und ihren Einkünften auch einen Teil des Bruttosozialprodukts der Entsendestaaten ausmachen?

Gilt für die eine Art Kontaktsperre, d.h. können die überhaupt noch raus aus Deutschland zu ihren Liebsten? Oder rein nach Deutschland zu ihrer Arbeitsstelle? Oder bleibt ihnen nur noch das Internet als Verbindung zu ihren eigenen Kindern und Eltern? Meines Erachtens sollte man diese Leute auch zur „Kritischen Infrastruktur“ zählen. Tut man aber nicht. Ist ja privates Personal, und hier agieren ja schließlich nicht Europa, sondern nur noch die Nationalstaaten, und die schotten sich ab.

Was wäre die Coronahysterie ohne unser geliebtes Internet?

Nicht auszudenken, wenn ausgerechnet jetzt das Internet ausfiele. Die Telekom hat 2018 mehrere wochenlange Ausfälle im Raum Bonn gehabt, ebenso Unity Media. Bei uns im Büro war die gesamte Büroinfrastruktur tot, nur das Handy funktionierte noch. Wie würden die Menschen reagieren, wenn man nicht mehr einfach mal schnell die Tochter in Hamburg, die Eltern in Oberpleis oder die Geliebte in Berlin erreichen kann? Oder den Mann in Warschau, die Tochter in Breslau und die Eltern in Katowice? Würden sie das ruhig hinnehmen?

Das analoge Netz ist abgeschaltet, man hat damit ein redundantes System bewusst allein aus Kostengründen vernichtet. Alle telefonieren nur noch über „Voice over IP“ (VOIP), also übers Internet.

Und wenn das ausfällt, …

Immer mehr Menschen schauen zudem auch Fernsehen über das Internet. D.h. Nachrichten und Warnungen erreichen sie nicht mehr, wenn das Internet ausfällt.
Wären Polizei und Hilfsdienste in der gegenwärtigen Krise bei einem Notfall und einem Ausfall eines Teils der “kritischen Infrastruktur“ (Blackout) tatsächlich in der Lage, sich zu verständigen und zu koordinieren? Oder müßten sie mit Lautsprecherwagen rumfahren, mit Walkie Talkies arbeiten und ins Megafon brüllen?

Gesetzt den Fall, es würde in den nächsten Tagen einen schweren Unfall, etwa in einem Atomkraftwerk oder in einer Chemieanlage geben. Was, wenn ein Virus die Belegschaft attackiert und ein anderes Virus die Kraftwerkssteuerung befällt? Nichts ist unmöglich. Oder wenn der Iran auf die böse Idee käme, eine Retourkutsche zu fahren und ein mutiertes Stuxnet-Virus zurück an den

Absender zu senden? Mit Liebesgrüßen aus Teheran?

Das sind alles Sachen, die ich nicht erleben möchte. Darum: Ein Hoch auf die Sysadmins!!

Über Annette Hauschild / Gastautorin: