DLF stellt Programm ein
Vor Jahren bin ich vor der Formatierungswelle der WDR-Radiowellen zum Deutschlandfunk geflohen. Formatieren meint: bloss nichts mehr senden, was ein “Ausschaltimpuls” sein könnte, alle Ecken und Kanten müssen weg. Ich dagegen höre Radio wegen der Ecken und Kanten. Beim DLF fand ich (noch) Programmangebote, die von (bisweilen renitenten?) Fachredaktionen geliefert werden. Nicht immer gefällig, oft anderer Meinung als ich, aber Qualität, mit gutem, altem Journalismus dahinter. Ein Reservat. Das macht die DLF-Programmdirektion nächste Woche platt.
Der verständliche Teil der Begründung sind Personalprobleme. Wer hat die derzeit nicht? Auch Radiomacher*innen müssen Familien organisieren, oder erkranken gar selbst. Doch die Begründung hat noch einen anderen, für mich als Hörer bedrohlichen Zungenschlag. Die Bosse im DLF wollen mehr Handlungsfreiheit gegenüber den Fachredaktionen. Und sie wollen mich möglichst in Echtzeit mit der regierungsamtlichen Volkspädagogik versorgen, also das, worauf ich am meisten verzichten kann.
So entfallen, darunter fast alle meine Einschaltimpulse: Europa heute (9.30 h), die thematischen Vormittagssendungen (“Kontrovers, Sprechstunde, Länderzeit, Marktplatz, Lebenszeit), deren verzichtbarster Teil, das schlecht gecastete Call-in-Publikum, sich nun auf den ganzen Tag ausdehnen soll, Umwelt und Verbraucher (11.30 h; würdige Nachfolgerin der einstigen WDR2-Quintessenz), Wirtschaft am Mittag (13.35 h), Deutschland heute (14.10), Campus und Karriere (14.35 h), Corso – Kunst & Pop (15.05 h), @mediasres Medienmagazin (15.35 h), Büchermarkt (16.10 h), Forschung aktuell (16. 35 h), Wirtschaft und Gesellschaft (17.05 h), Kultur heute (17.35 h), Hintergrund (18.40 h), sowie wechselnde Fachprogramme um 19.15 h. Nur die Wochenenden sollen von dieser Dampfwalze – noch – verschont bleiben; dort ist der Anteil des Vorproduzierten höher.
Bei Personalnot hätte sich angeboten, in allen Sendungen Musikanteile zu erhöhen oder einzubauen, bei Erhalt eines Fundaments der tägliche Fachinformationen. Ich wäre der Letzte, der dafür kein Verständnis hätte. So sieht es mehr nach einer Machtverschiebung im Sender von unten nach oben aus. Ein unangenehmer und verunsichernder Vorgeschmack, was dieser Demokratie und ihren Medien in den nächsten Monaten noch alles blüht.
Gut, dass ich so viele Vinyl-Platten behalten habe.
Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!! Da hilft kein Flüchten, wohin will man sonst noch laufen, wenn man immer flieht? Überschüttet die Programmdirektion mit eMails, Anrufen, macht das Ganze viral. Und persönlich! Zeit dafür haben wir ja nun. Nur so geht es
Das sind genau die Sendungen, die DLF noch hörbar machen. Das klerikale Gebrabbel “von Tag zu Tag” ist kaum erträglich, jeden Tag ist es einen Tag zuviel.